Kenias Oppositionsführer Raila Odinga: Für seine Feinde ein Kommunist

Er studierte in der DDR und saß in Kenia im Knast. Mit der mutmaßlich fünften Wahlniederlage geht Raila Odingas Karriere jetzt wohl zuende.

Raila Odinga fährt stehend in einem Auto durch eine Menge von Anhängern.

Raila Odinga, umgeben von seinen treuen Wählern in Kibera, Nairobi, am Wahltag 8. August Foto: ap

NAIROBI taz | Man liebt ihn oder man verabscheut ihn, aber niemanden in Kenia lässt Raila Odinga kalt. Der alte Politveteran wird von seinen Bewunderern als das Gravitationszentrum der kenianischen Politik bezeichnet. Seine Feinde nennen ihn grinsend den ewigen Verlierer. Und nun könnte tatsächlich das Ende einer langen und tumultuösen politischen Karriere gekommen sein.

Raila Odinga wurde in eine politische Elite hineingeboren. Sein Vater Jaramogi Oginga Odinga war Kenias erster Vizepräsident nach der Unabhängigkeit 1964. Präsident damals war Jomo Kenyatta, der Vater des heutigen Präsidenten Uhuru Kenyatta.

Beide Väter waren erst Freunde, dann zerstritten sie sich. Das sorgte nicht nur für Rivalität zwischen zwei politischen Familien, sondern auch zwischen zwei Völkern: Die Kikuyu im kenianischen Hochland, zu denen die Kenyattas gehören, und die Luo am Victoria-See, im Westen Kenias und Teilen der Nachbarländer, zu denen Odingas Familie gehört.

Gegner von Raila Odinga nennen ihn einen Kommunisten, ein Schimpfwort im kapitalistischen Kenia. Das geht auf die Zeit nach der Unabhängigkeit zurück, als Kenyatta die Westbindung Kenias betrieb, während Odinga engere Kontakte zum sozialistischen Lager und den Befreiungsbewegungen des östlichen und südlichen Afrika hielt.

Ein Kenianer am Checkpoint Charlie

Tansanias sozialistischer Unabhängigkeitsführer Julius Nyerere gab Odinga seinen ersten Reisepass, weil Kenyatta der Familie von Oginga Odinga keine Pässe ausstellte. Mit dem tansanischen Pass konnte Raila Odinga reisen.

Der Kommunistenvorwurf geht auch auf die Zeit zurück, als Raila Odinga zwischen 1962 und 1970 Maschinenbau in Leipzig, Magdeburg und Ost-Berlin studierte. Er ist bis heute stolz darauf das er als Kenianer durch den Checkpoint Charlie von West- nach Ost-Berlin reisen durfte und so einiges mitbrachte, wenn er zurück in die DDR kam.

Gleich nach seiner Rückkehr in Kenia fing sein politisches Leben an. 1982 wurde er ins Gefängnis gesteckt, weil er der Mitplanung eines Militärputschversuchs gegen Kenias zweiten Präsidenten Daniel arap Moi bezichtigt wurde.

Folter- und Isolationshaft

Odinga wurde nicht nur sechs Jahre inhaftiert, sondern auch schwer gefoltert und die meiste Zeit von seinen Mithäftlingen isoliert. Er hat es Moi nie verziehen, dass er vom Tode seiner Mutter erst nach zwei Monaten durch das Gefängnispersonal benachrichtigt wurde.

Seitdem sieht Odinga sich als Vorkämpfer für Demokratie in Kenia. Seit der Einführung des Mehrparteiensystems in 1992 hat Odinga verschiedene Parteien gebildet und wieder aufgelöst. Mittlerweile war der Ost-West-Konflikt vorbei. Odinga passte sich an.

Er nannte sich jetzt Sozialdemokrat und sagte, er wolle den Unterdrückten und Ärmsten helfen. Seine Gegner hielten fest am Schimpfowrt „Kommunist“. Seine Anhänger waren die Bewohner der Armenviertel, sein Wahlkreis war Kibera, der größte Slum in Nairobi, wo die Armut alles bestimmt.

Immer wieder Wahlen verloren

In all den Jahren ist es ihm nie gelungen, in seinem Wahlkreis bessere Lebensumstände zu schaffen. Und er machte sich viele Freunde zu Feinden, seit er 1997 zum ersten Mal bei Präsidentschaftswahlen antrat und Dritter wurde.

2002 zog er gegen Uhuru Kenyatta den Kürzeren, als es um die Führung der historischen Regierungspartei KANU (Kenia Afrikanische Nationalunion) ging; er zog in die Opposition, gemeinsam mit dem Politiker Mwai Kibaki, und verhalf diesem zum Sieg. Fünf Jahre später waren sie Rivalen bei den nächsten Wahlen, die Odinga verlor, woraufhin es zu Gewalt mit über 1300 Toten kam.

Aber das Wort „aufgeben“ kennt Raila Odinga nicht. Er musste und sollte Präsident von Kenia werden. Er färbte seine grauen Haare wieder schwarz, rannte viele Kilometer auf Tretmühlen, tat alles um Jung und energisch auszusehen.

Doch seine rauhe, brummende Stimme wurde sanfter und matter, seine Tänze im Wahlkampf immer weniger. 2013 verlor er die Wahlen erneut – gegen Uhuru Kenyatta. Und jetzt scheint für Odinga auf der politischen Bühne der Vorhang zu fallen.

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