Kirche als Arbeitgeber: Für einen Gotteslohn

Die Kirche beansprucht für sich als Arbeitgeber eine Sonderrolle. Streiks gelten als systemfremd, der Lohn soll friedlich ausgehandelt werden.

Um die Kosten zu senken, hat die Politik in den 90er Jahren einen Wettbewerb im Sozial- und Gesundheitswesen initiiert Bild: dpa

HAMBURG taz | Wieviel brauchen die Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen? Ganz nach der Losung des Kirchentages glauben die Kirchen zu wissen, welcher Lohn ihren Angestellten zusteht. Sie verstehen sich als Arbeitgeber sui generis, der sich nicht der Profitmaximierung verschrieben hat, und dessen Mitarbeiter daher nicht zum Arbeitskampf greifen müssen, um einen gerechten Lohn zu erhalten.

Doch dieses Bild hat in den vergangenen Jahren Risse bekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Kirchen aufgetragen, ihre Einrichtungen auch entsprechend zu führen. Sonst wäre den kirchlichen Sonderrechten der Boden entzogen.

Die Kirchen betreiben längst nicht nur Seelsorge, sondern auch Krankenhäuser, Kindergärten, Altenpflegeeinrichtungen, Zeitschriften und Journalistenschulen. Rund 450.000 Menschen sind allein in den sozialen Einrichtungen der evangelischen Kirche beschäftigt. Um die Tarife mit diesen Mitarbeitern auszuhandeln, nimmt die Kirche für sich einen „Dritten Weg“ in Anspruch.

Sie beruft sich dabei auf ihre verfassungsrechtliche Sonderstellung, nach der Religionsgemeinschaften „ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ ordnen und verwalten können. Die Kirche leitet daraus das Recht ab, von ihren Angestellten die Kirchenzugehörigkeit zu fordern und den Lohn auf Basis der Idee einer „Dienstgemeinschaft“ auszuhandeln.

Der Mindestlohn liegt nach den kirchlichen Anstellungsordnungen zwischen 8,45 und 8,70 Euro pro Stunde – im öffentlichen Dienst bei 8,50 Euro. Nach einer Erhebung des Diakonie-Bundesverbandes 2012 liegt bei ausgegliederten Firmen das Mittel der niedrigsten Löhne bei 8,41 Euro – die eine Hälfte der Beschäftigten verdient mehr, die andere weniger. Am wenigsten verdiente eine neu eingestellte Küchenhilfe mit 5,99 Euro.

„Friedliche Konfliktlösung“

Dienststellenleiter und Mitarbeiter werden dabei nicht als Antagonisten gesehen – schließlich trügen sie ja gemeinsame Verantwortung für den Dienst an der Kirche. Löhne, Arbeitsbedingungen und Urlaubsansprüche werden daher in paritätisch besetzten Kommissionen ausgehandelt. Im Streitfall entscheidet ein neutraler Schlichter. Dieses Verfahren mache Streiks überflüssig. „Arbeitskampfmaßnahmen widersprächen dem kirchlichen Verständnis von friedlicher Konfliktlösung“, heißt es in einem Informationspapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Die Gewerkschaft Ver.di halten dieses Bild für eine fromme Illusion. Die Dienststellenleiter und ihre Mitarbeiter verhandelten mitnichten unter gleichen Voraussetzungen. Das gelte umso mehr ,als sich die Rahmenbedingungen, unter denen die Wohlfahrtsverbände der Kirchen, Diakonie und Caritas, arbeiten, radikal geändert haben.

Um die Kosten zu senken, hat die Politik in den 90er Jahren einen Wettbewerb im Sozial- und Gesundheitswesen initiiert. Seither setzen privatwirtschaftliche Träger die kirchlichen Werke unter Druck. „Das Ziel, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möglichst gute Gehälter zu zahlen, kann nur innerhalb dieses Rahmens erreicht werden“, argumentiert die EKD. Die Folge aus Sicht von Verdi: „Viele kirchliche Einrichtungen handeln wie normale Arbeitgeber: Einsatz von Leiharbeit, Ausgliederung von Betrieben und Lohndrückerei.“

Trend zur Tarfiverschlechterung

Eine Untersuchung des Wirtschaftlichen und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Gewerkschaften stellt fest, dass die kirchlichen Werke den Trend zur Tarifverschlechterung beschleunigten. Nicht tarifgebunden könnten sie schneller reagieren und mit ihrer Größe bestimmten sie den Markt. Ende November hat das Bundesarbeitsgericht den Dritten Weg der Kirchen grundsätzlich bestätigt.

Allerdings müssten die Gewerkschaften künftig beim Aushandeln der Tarife beteiligt werden und bei allen diakonischen Einrichtungen müsse der gleiche Tarif gelten. Die Kirche und ihre Einrichtungen dürfen vom Dritten Weg nicht nur reden – sie müssen ihn auch gehen.

„Diakonie im neoliberalen Umfeld. Dritter Weg oder Tarifvertrag?“ Freitag 18 Uhr, Gemeindezentrum Pallmaille 2, Ver.di-Chef Frank Bsirske und Franz Segbers von der Uni Marburg, Mitherausgeber des Buches „Streik in Gottes Häusern“ (VSA-Verlag) diskutieren mit Vertretern der Diakonie über die Rechte kirchlicher Arbeitnehmer. Über das gleiche Thema debattiert Bsirske am Samstag von 10.30 bis 12 Uhr in der St. Georgs Kirche mit dem Kirchentagspräsidenten Gerhard Robber.

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