Kita-Krise in Berlin: 113 Zwerge rausgeschmissen

Nachdem eine private Kita 113 Kinder gekündigt hat, verspricht der Senat schnelle Hilfe. Eltern berichten von unhaltbaren Zuständen.

In einer Kita stehen viele mit Namen beschriftete Zahnputzbecher und Zahnbürsten in einer Reihe

Zu viele Zahnputzbecher, zu wenig Erzieher*innen: Kitas in Berlin leiden unter Fachkräftemangel Foto: dpa

BERLIN taz | Die Kita-Krise ist um einen Aufreger reicher: Gleich 113 Kinder auf einmal hat die privat betriebene Kita Notenzwerge in Tempelhof rausgeschmissen. Wegen „anhaltender Probleme“ sei man in Abstimmung mit Bezirk und Kita-Aufsicht zu dem Schluss gekommen, dass die private Einrichtung rund die Hälfte der 221 betreuten Kinder nicht weiterbetreuen könne. „Zahlreiche Kündigungen, sehr viele Krankmeldungen, wechselnde Beschäftigte aus Zeitarbeitsfirmen“ sind laut Kita-Aufsicht der Grund. Eltern berichten über schlechte Stimmung zwischen Belegschaft und Geschäftsleitung, Mobbing, verkürzte Öffnungszeiten und tageweise Schließungen bei dem privaten Träger.

Bezirk und Senatsverwaltung arbeiteten gerade mit Hochdruck an einer ­„Auffanglösung für die betroffenen Kinder“, hieß es am Freitag. Ziel sei es, möglichst viele Plätze zu erhalten oder eine andere Betreuung der Kinder sicherzustellen. Dieser Fall sei in seiner Dimension einmalig in Berlin. „Dass ein Träger so vorgeht, hatten wir noch nicht“, teilte Iris Brennberger, Sprecherin der Bildungsverwaltung, mit. Man könne bei über 1.300 Kita-Trägern aber nicht ausschließen, dass einer scheitere.

Der Senat prüfe nun Unterbringungsmöglichkeiten bei anderen Trägern, die Vermittlung von Personal sowie die Übernahme eines Teils der Einrichtung durch einen anderen Träger. Selbst die Kosten einer privaten Betreuung könnten übernommen werden.

Im Oktober hätten Eltern erstmals Hinweise auf die Schieflage gegeben; daraufhin vom Träger eingeleitete Maßnahmen scheiterten laut Senat. Im Januar hätten erneut viele Erzieher*innen gekündigt. Daraufhin gab der Betreiber der Verwaltung Bescheid, dass er Verträge kündigen wolle, so Brennberger.

Nasse Kleidung, kein Windelwechseln

Eltern berichteten von einer extremen Personalsituation, Kündigungswellen, langen Krankmeldungen und einer überforderten Leitung. Im Tagesspiegel beschreibt ein Elternteil, dass Windeln teilweise nicht gewechselt worden seien und Kinder in nasser Kleidung nicht umgezogen wurden.

Der private Betreiber Rahn Education mit Sitz in Leipzig hat den Fachkräftemangel im Er­zie­he­r*in­nenberuf für den „harten Einschnitt“ verantwortlich gemacht. In Berlin sei es „derzeit kaum möglich, ausgebildetes Fachpersonal und Leitungspersonal zu finden“, so der Träger in einer Stellungnahme. Auch die Geschäftsführung sei für die Situation verantwortlich. Teilweise sei von 36 Erzieher*innen nur die Hälfte vor Ort gewesen. Die Einrichtung hatte sich gerade erst mit einem Anbau vergrößert.

Ronny Fehler, GEW Berlin

„Viele freie Träger von Kitas sind Blackboxes“

Das von Eltern iniitierte Bündnis „Kitakrise Berlin“ machte am Freitag erneut auf die schwierige Situation im Er­zie­her*in­nenberuf aufmerksam. Ann-Mirja Böhm vom Bündnis sagte: „Erzieher müssen einfach mehr Kohle bekommen. Dann wollen mehr Menschen diesen Job machen und die Qualität steigt.“

Erst am Dienstag hatten Erzieher*innen nach einem Aufruf der Gewerkschaft GEW gestreikt. Die sieht die Verantwortung sowohl beim Betreiber als auch beim Senat. Die Kita-Aufsicht habe nicht genug Kapazi­täten, um zu überprüfen, ob überall arbeitsrechtliche Standards eingehalten würden. „Viele freie Träger sind Black­boxes“, so Ronny Fehler von der GEW.

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