Klage gegen Ex-Beluga-Chef: Vom Winde verweht

Die Staatsanwaltschaft erhebt eine dritte Anklage wegen Betruges und Untreue gegen Ex-Beluga-Chef Niels Stolberg. Der hat indes schon wieder neue Geschäftsideen.

Einst galt Niels Stolberg als Werbeträger und total gut für Bremen. Manche glauben noch immer an ihn. Bild: Benno Schirrmeister

Noch eine Anklage. Noch mal Ordner, Kartons, Papier. Die Vorwürfe gegen Ex-Beluga-Reeder Niels Stolberg reißen nicht ab. Mindestens 20.000 Seiten zweier Anklageschriften stapeln sich bereits im Landgericht Bremen. Am Mittwoch nun teilte die Staatsanwaltschaft mit, eine dritte Anklage gegen Stolberg zu erheben, wegen „vier Fällen des Betruges und der Untreue im jeweils besonders schweren Fall“. Laut Behörden-Sprecher Frank Passade war’s das nun erst mal, es gebe derzeit keine weiteren Ermittlungen, sagt er.

Bis das Verfahren am Landgericht eröffnet wird, kann es aber noch Monate dauern. „Wir lesen und lesen und lesen“, sagt Thorsten Prange, Sprecher des Landgerichts. Die drei RichterInnen der Wirtschaftsstrafkammer verschafften sich einen Überblick, dann erst dürfe die Verteidigung vollständigen Einblick nehmen. Vorher wird nichts eröffnet.

Währenddessen versucht sich Niels Stolberg mit einer neuen Unternehmung: Bei einer „Green Sailing GmbH“ sei er Aufsichtsrats-Vorsitzender, hieß es Anfang September in diversen Presseberichten.

Diese Firma will ein Luxus-Kreuzfahrschiff mit Segelantrieb auf den Markt bringen. Worte wie „nachhaltig“ werden genannt.

Für eine „Green Sailing GmbH“ gibt es bislang jedoch im Handelsregister keinen Eintrag. Auch die Website www.green-cruising.com, auf der die Geschäftsidee in stylischem Design angepriesen wird, weist im Impressum weder eine Handelsregister-Nummer noch eine Umsatzsteuer-ID aus.

Für Investoren ist das wenig vertrauensbildend. Denn juristisch existiert eine GmbH ohne Handelsregister-Eintrag nicht. „Das ist nicht zulässig“, sagt Dietrich Grashoff, Honorarprofessor für Gesellschaftsrecht am „Institut für Handelsrecht“ an der Uni Bremen. „Die Gründung einer GmbH geht nur notariell. Der Notar ist verpflichtet, die Eintragung vorzunehmen“, so Grashoff. Das sei „zwingend“.

Nun kann eine Bearbeitung der Registrierung vor Gericht etwas dauern. Und rechtlich ist es auch denkbar, dass es in der Gründungsphase einer jungen, noch zu errichtenden GmbH bereits zu ersten Geschäftstätigkeiten kommt.

Für diese Zwischenphasen gibt es aber Bezeichnungen: „Vorgründungs-GmbH“ heißt das dann, oder später „Vorgesellschaft“. Aber: „Keinesfalls darf man sich dann als GmbH bezeichnen“, sagt Grashoff. Bei einer GmbH gebiete das Haftungsprivileg der selbstständigen juristischen Person diese Transparenz.

„Eigentümer der Gesellschaft“, so heißt es Anfang September bei Radio Bremen, wären „die drei Unternehmer Marco Fuchs (Vorsitzender OHB AG), Rolf Rohden (Innoven GmbH) und Norbert Schlesiger (ehemaliger Vorstand Aleo Solar AG)“.

Eine eigene Quelle ist dafür nicht gesondert aufgeführt. Weiter heißt es, dass der ehemalige Beluga-Chef Niels Stolberg den für eine GmbH eher seltenen Posten eines Aufsichtsratsvorsitzenden übernehme. Mit dem operativen Geschäft hat ein Aufsichtsratsvorsitzender in jedem Fall nichts zu tun, dennoch liest man auch auf der Firmen-Website, Stolberg stelle für das Green Cruiser Projekt „sein Know-How und seine Sachkenntnis in der Schifffahrtsbranche zur Verfügung“ – als Beluga-Chef hatte e das „Skysail“ in die Frachtschifffahrt eingeführt, eine Art Lenkdrachen, der vor ein Containerschiff gespannt Treibstoff einsparen sollte.

Vor dem Hintergrund der Vorwürfe gegen ihn erscheint diese Liaison allerdings gewagt. Zumindest hätte man erwartet, dass die Firma sich in der Gründungsphase extra professionell verhält und bei der GmbH-Eintragung keine Zweifel aufkommen lässt.

„Nach meinem Kenntnisstand ist die Eintragung erfolgt“, sagte Norbert Schlesiger, der auf der Website als Geschäftsführer der Green Sailing Gesellschaft angegeben wird. Eine Registernummer konnte er bis Redaktionsschluss nicht nennen. Es sei eine noch „eine relativ jungfreuliche GmbH“. Von der neuerlichen Anklage gegen seinen Aufsichtsratsvorsitzenden Stolberg wisse er nichts. „Das sind Themen, die für uns in der Vergangenheit liegen. Herr Stolberg ist bei uns als enger Berater eingebunden. Hier gilt das Unschuldsprinzip, bis er verurteilt wird“, so Schlesiger.

Die Nachfolge-Reederei der Beluga-Gruppe hingegen, die „Hansa Heavy Lift“, versuchte seit Beginn der Ermittlungen 2011 alle Verbindungen zu den Namen „Stolberg“ und „Beluga“ zu kappen – neuer Firmensitz in Hamburg inklusive.

Denn die Vorwürfe gegen Stolberg sind nicht ohne. Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom Dienstag etwa führt den Verdacht der Untreue näher aus: Im August 2010 soll Stolberg fünf Millionen Euro von einer der Beluga-Gesellschaften „rechtsgrundlos und ohne Kenntnis seines Mitgesellschafter“ an eine Firma außerhalb der Beluga-Unternehmensgruppe überwiesen haben – also quasi an sich selbst. Denn die fünf Millionen landeten bei einer Firma, „deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer“ Stolberg war.

Dann soll er einen Hamburger Reeder betrogen haben, in dem er ihm Schiffe noch vor deren Fertigstellung verkaufte, parallel aber mit der chinesischen Werft abmachte, dass diese die Kaufverträge rückdatieren und als Preis pro Schiff einfach 2,5 Millionen Euro mehr verlangen solle – macht bei vier Schiffen glatte 10 Millionen Euro, die sich Stolberg dann von der chinesischen Werft als „Kommissionszahlung“ an eine Beluga-Gesellschaft überweisen ließ.

Weiterhin wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, Betrug begangen zu haben, indem er den Finanzinvestor „Oaktree“ bewusst über die Höhe der von ihm angeblich erbrachten Kommanditeinlagen täuschte – die Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden auf etwa acht Millionen Euro.

In den vorherigen Anklagen ging es um Bilanzfälschungen, fingierte Rechnungen. Gegenüber dem Finanzinvestor Oaktree, der 2010 in die Beluga-Reederei einstieg, sollen Frachtaufträge gefälscht, gegenüber Banken in den Jahren zuvor für die Finanzierung von Schiffe Investitionskosten falsch dargestellt worden sein.

Als Gesamtschaden werde ihm laut Staatsanwaltschaft eine Summe „im zweistelligen Millionenbereich zur Last gelegt“, bei der er „im Falle einer Verurteilung mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen hat“.

So schwer wiegen die Anklagepunkte, dass etwa Ungereimtheiten im Zusammenhang mit Spendenzahlungen für Stolbergs „Beluga School für Life“ in Thailand gar nicht mehr verfolgt werden: Beim RTL-Spendenmarathon wurden 2009 für die Schule über eine Million Euro gesammelt.

Einen Tag nachdem RTL die erste Rate von 500.000 Euro auf das Schul-Konto überwiesen hatte, sei das Geld auf ein Konto der Beluga-Reederei gebucht worden. Stolberg stand in Verdacht der Untreue. Nicht weiter verfolgt wird auch der Verdacht des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch mögliche Panzerlieferungen nach Myanmar. Peanuts eben.

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