Klage gegen Sperrung von Aktivistin: Facebooks Problem mit „Vollpfosten“

Eine Aktivistin setzte auf Facebook Identitäre und „Vollpfosten“ in Zusammenhang und wurde für 30 Tage gesperrt. Nun klagt sie dagegen.

Facebook und Vollpfosten - ein schiefer Zaunpfahl auf einer Wiese

Ob man einen solchen Vollpfosten wohl als rechtsextrem bezeichnen darf? Foto: Jon Phillips/Unsplash

Darf Facebook eine schwäbische Nutzerin sperren, weil sie Rechtsextremisten als „Vollpfosten“ bezeichnet hat? Darüber muss jetzt ein Amtsgericht in Baden-Württemberg entscheiden.

Ausgangspunkt des Streits war ein taz-Artikel über Rechtsextremisten der Identitären Bewegung. Diese hatten im letzten Sommer das Schiff C-Star gechartert, um NGOs im Mittelmeer bei der Flüchtlingsrettung zu stören. Der Artikel wurde bei Facebook heftig diskutiert. Ein User verteidigte die Crew der C-Star, diese sei doch nur „einige hundert Meter hinter einem Schiff hergefahren, das Schlepper unterstützt“. Darauf konterte die Nutzerin Magda Jörger (Name geändert): „Vollpfosten bleibt Vollpfosten und basta“. Der deftige, aber kurze Satz hatte Folgen: Facebook löschte nicht nur diesen Kommentar, sondern sperrte sogar den Account von Jörger für 30 Tage.

Magda Jörger ist eine 59-jährige Sekretärin und fünffache Großmutter. Sie sieht es als ihre „Bürgerpflicht“ an, „sich im Netz dem Hass und der Hetze und der Desinformation entgegen zu stellen.“ Die 30-tägige Facebook-Sperre für den „scharfen, aber nicht rechtswidrigen“ Kommentar will sie sich nicht gefallen lassen. Die streitbare Großmutter agiert im Netz zwar unter eigenem Namen. Bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens will sie medial aber anonym und ortlos bleiben. Sie sei schon einmal „von einem Neonazi persönlich bedroht worden“ und will eine Wiederholung im Gerichtssaal verhindern.

Denn inzwischen hat sie gegen Facebook geklagt. Als Anwalt hat sie den Würzburger Facebook-Experten Chan-jo Jun gewählt. Jun argumentiert, dass die 30-tägige Sperre rechtswidrig war, denn Facebook habe seine vertragliche Pflicht verletzt, der Kundin „uneingeschränkten Zugang“ zu ihrem Account zu gewähren. Sperren könne Facebook nur verhängen, wenn gegen Gesetze oder die eigenen Gemeinschaftsstandards verstoßen wurde, was hier nicht der Fall sei.

Verstoß gegen Facebook-Standards

Facebook dagegen wirft Jörger „Mobbing“ und „Belästigung“ vor. Sie habe mit ihrer „Vollpfosten“-Äußerung den Mitdiskutanten „herabgewürdigt“. Das verstoße gegen die Facebook-Gemeinschaftsstandards. Jörger dagegen betont, sie haben den Satz viel allgemeiner gemeint: Rechtsextremisten blieben Rechtsextremisten, auch wenn sie einem Seenotrettungsschiff lediglich hinterherfahren.

Im April fand eine erste gerichtliche Verhandlung statt. Die Amtsrichterin kam zum Schluss, dass „Vollpfosten“ keine Beleidigung sei, egal wer nun gemeint war. Die vierwöchige Sperrung des Accounts sei wohl „rechtswidrig“ gewesen, so die Richterin, die eine „gütliche Einigung“ mit Kostenteilung empfahl.

Facebook will sich aber nicht gütlich einigen, sondern legte nach. Es scheine, so die Facebook-Anwälte, dass Jörger den Dienst regelmäßig nutze, „um andere zu beleidigen“. Schon zweimal habe man Kommentare von Jörger löschen müssen. Einmal hatte sie eine „Privatperson“ als „dumm“ bezeichnet, einem anderen Mann stellte sie die Diagnose „am Rande der Schwachsinnigkeit, mindestens“. Da die Sperrung des Kontos erst beim dritten Mal erfolgte, sei diese rechtmäßig, so Facebook.

Aufrufe zu Gewalt – kein Verstoß?

Solche Argumente machen Jörger wütend. Schließlich sah Facebook oft keinen Grund zum Eingreifen, wenn sie unverhohlene Gewaltaufrufe von Rechten meldete. Beispiel: Unter einem Bild mit vier abgetrennten Köpfen schrieb ein User: „An Frau Merkel, es ist dein Kopf, der da noch fehlt“. Facebook antwortete, dass dieser Hass-Kommentar „gegen keinen unserer Gemeinschaftsstandards verstößt“.

Eine neue Verhandlung in Jörgers Fall wird nun am 11. September stattfinden. „Hier sieht man, wie lange es dauert, wenn man gegen Facebook etwas vor Gericht durchsetzen will“, sagt Chan-jo Jun.

Anfangs hatte Facebook die Klage nicht einmal angenommen, weil sie nicht auf englisch übersetzt wurde. Jun argumentierte: Ein Unternehmen, das in Deutschland mehr als 20 Millionen Nutzer hat, werde wohl deutsch verstehen. Doch für die Facebook-Anwälte genügt es nicht, dass irgendjemand im Unternehmen deutsch versteht, es komme auf die Rechtsabteilung an, die nun mal am europäischen Unternehmenssitz in Irland angesiedelt sei. Auch diese Frage ist noch nicht geklärt.

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