Kletterparadies Fränkische Schweiz: Mit Haken, oder lieber ohne?

Vom Hallenhampler zum Felskletterer – ein Kletterkurs in der Fränkischen Schweiz, einem der größten Klettergebiete, weltweit.

Fränkische Schweiz: Jurafelsen im Wiesenttal bei Pottenstein. Bild: imago/Martin Werner

Tschakka!!“ Ein befreiter Schrei schallt vom Röthelfels über den Buchenwald; die Berlinerin Leyla hat gerade einiges überwunden: den inneren Schweinehund, eine leichte Höhenangst und eine schwierige Stelle auf ihrer Kletterroute. Jörg Kühhorn schickt einen fränkischen Lobschwall die Felswand hinauf zu ihr. „Bassd scho! Subba! Schbizze!“

Ein paar Meter weiter legen Annette und Martin Gurte an und klettern los. Kühhorn schaut zu, ob ordentlich gesichert wird. Sechs Sportler haben sich hier zu einem Felskletterkurs getroffen. Alle turnen zu Hause in Kletterhallen herum, nun wollen sie lernen, wie man das draußen, in der Natur, sicher anstellt.

In Kletterhallen folgt man blauen oder gelben oder roten Griffen nach oben. Aber hier, am Röthelfels, zeigt sich: Grau ist alle Theorie – und der Fels der Fränkischen Schweiz. Herrlich löchrig zum Glück auch, jede Menge Griffe und Tritte zur Auswahl.

Der Nördliche Frankenjura – bei Kletterern „die Fränkische“ genannt – ist eines der größten Klettergebiete. Der Welt. Während Bergsteiger zu Gipfeln streben, reichen dem Sportkletterer Felswände. In der Fränkischen wird an mehr als 1.000 Felsmassiven und Türmen in über 10.000 Routen gekraxelt. Hier, zwischen Nürnberg, Bamberg und Bayreuth, begann das Rotpunkt-Klettern.

Ab Mitte der 1970er Jahre stellten Kletterer ihre Bergschuhe in den Keller und zogen enge Schühchen an, deren Sohlen gut an Felsen haften. Und so tanzten sie von nun an den Wänden hinauf, eher Akrobaten als Bergsteiger, und nur, wer hinaufkam, ohne die Haken als Kletterhilfe benutzt zu haben, hatte eine Rotpunkt-Begehung geschafft. Und malte, wie es der legendäre Franken-Kletterer Kurt Albert vorgemacht hatte, einen roten Punkt an den Einstieg.

Aufbaukurs Sportklettern: Vier Tage Sportkletterkurs, Auffrischung der Sicherungstechnik, Schulung spezieller Klettertechniken, Sicherungsmethoden, Vorstiegstechnik, Sturztraining, Klettern in eigenen Seilschaften, mit Halbpension im Gasthof zur Guten Einkehr in Morschreuth, Jörg Kühhorn ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer und im Frankenjura zu Hause. Nächster Kurs: 1. Oktober, ab 595 Euro. Den viertägigen Kurs in der Fränkischen Schweiz bietet der DAV-Summitclub an: www.dav-summit-club.de.

Weitere Informationen: über die Kletterfelsen und über aktuelle Sperrungen in der Frankenregion: www.Frankenjura.com.

Punkte malen ist verboten

Das Punktmalen ist heute nicht mehr erlaubt, die Regeln sind dieselben. Für Freeclimber dienen Haken, Karabiner und Seile einzig der Sicherheit, nicht aber zur Fortbewegung. Wer auch noch das Seil weglässt, klettert „free solo“. Dann hängt das Leben nicht an einem seidenen Faden, sondern am eisernen Willen.

Zum Klettern gehört viel Theorie. Und so redet sich Jörg die Kehle heiser, um den Hallenhamplern das Felsklettern zu erklären. Im markanten fränkischen Dialekt, der das „R“ tief im Rachen rollt und das „L“ ganz vorne an den Zähnen herauspresst, erklärt er, wie man Karabiner einhängt, damit sich das Seil nicht verheddert. Macht vor, wie mobile Sicherungsgeräte am Fels verankert werden. Dazu friemelt er Bandschlingen durch natürliche Felsösen, verhakt Klemmkeile in Spalten, schiebt Friends in Risse.

Klemmkeile sind Metalldinger an einer Stahlschlinge, mal so groß wie ein Bleistiftanspitzer, mal so klein wie eine Schraubenmutter. Und die guten Friends sind zahnrädrige Klemmmechanismen und kompliziert. Wenn der Kopf bald platzt vor Informationen, schiebt Kühhorn eine Anekdote aus dem wilden Leben der Franken-Kletterszene ein und schickt alle wieder an den Fels: Klettern!

„Der mit dem Wolf tanzt“

Vier Tage lang hangeln sich die Berliner, Wiesbadener und Pfälzer an den Riffen des versteinerten Jurameers empor. Die Kletterrouten heißen „Der mit dem Wolf tanzt“, „Kleiner Bär“, „Logisch“ oder „Neuer alter Hut“. Der löchrige Jurakalk bietet erstaunlich unterschiedliche Routenarten; des einen Kletterers Eldorado ist des anderen Waterloo. Der baumlange Wiesbadener turnt mühelos an überhängenden Dächern herum, aber an Wänden mit nur fingergroßen Löchern zum Festhalten fühlt er sich nicht so wohl. Dort hingegen gefällt es der Autorin, sie balanciert lieber auf Leisten, als sich in modrige Kamine reinzuschubbern.

Sandra bewegt sich am elegantesten von allen in der Senkrechten, Leyla liebt Rissklettern, bastelt aber so lange an heiklen Stellen herum, bis ihr Kraft und Biss ausgehen. Martin klettert solide, hat aber ein Abseilproblem, und Annette graust es vor der Höhe. Als sie sich ins Seil fallen lassen soll, jammert sie leise vor sich hin. Alle halten den Atem an, sie springt. Pendelt aus, schwebt auf den Boden. Schweißnass, breites Grinsen.

Der Bergführer drückt Sandra ein Buch in die Hand, den „Topoführer“. Die Gruppe soll eine Tour raussuchen. Keine 8er Route, da würde keiner auch nur einen halben Meter schaffen, einen schönen Vierer für Leyla, einen satten Sechser für den langen Kerl. Jörg erzählt, die „Klettergebiete leben von den Locals“, sie bohren Routen ein, schreiben und zeichnen „Topos“, ersetzen alte Haken, bauen Wege durch den Wald, die den Zustrom der Kletterer kanalisieren.

Zwischendurch gibt es Theorie

Dann baut er wieder eine Theorieeinheit ein, erklärt eine Sicherungstechnik, ein komplexer Vorgang mit diversen Karabinern, Schlingen und Knoten. „Man braucht definitiv mehr Hirn als in der Halle“, sagt der Franke. Genauergesagt: Hirrrrrn.

Kühhorn schiebt noch eine Anekdote nach. Hier, an der „Klagemauer“, habe sich der legendäre Flipper Fietz Routen ausbaldower. „Vor der Wand parkte ein R4, auf dem Dach stand der Flipper, die Kletterer saßen in der Wiese, es roch nach Joint“, und Fietz sprang vom Autodach in die Felswand, turnte mit Einarm-Klimmzügen herum. „Und hinter dem R4 stand eine Wandergruppe und starrte diese Kletteraffen an.“ Das Frankenland hat sich an die Kletterer gewöhnt, an gepiercte Mädels und Jungs mit Rastafrisuren, die sonst kaum den Weg hierher finden würden.

Bevor es zum Röthelfels geht, will Jörg nachschauen, „ob der Wanderfalke ausgebrütet hat“. Damit seltene Pflanzen erhalten bleiben, Vögel beim Brüten nicht gestört werden, ziehen Kletterer, Naturschützer und Behörden an einem Strang . Sie haben eine Zonenregelung ausgearbeitet; an manchen Felsen ist alles erlaubt, an anderen nichts. Als junger Kerl sei ihm der Wanderfalke egal gewesen, erklärt Kühhorn: „Ich wollt halt klettern. Wenn man älter ist, schaltet man das Hirn schon mal ein.“

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