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Klima, Verteidigung, Demokratie Drei Zukunftsfragen

Klima-, Verteidigungspolitik und Befestigung der Demokratie gegen ihre inneren Feinde, das sind die unangenehmen und zukunftsentscheidenden Politikfelder. Wer kann offen darüber sprechen?

Die Demokratie als freiheitliche Herrschafts- und Staatsform wird wehrhaft befestigt werden müssen Foto: Stefan Sauer/dpa

taz FUTURZWEI | Die Bundesrepublik – Gesellschaft, Wirtschaft und Politik – hat in den letzten 30 Jahren in jeder Hinsicht über ihre Verhältnisse gelebt. Das „Weiter so wie bisher immer“-Mantra, das Festhalten am Gewohnten, das Ignorieren der einbrechenden Mauern aus Wohlstand, Komfort, Bequemlichkeit und Unverantwortlichkeit gegenüber allem Wandel um uns her, versperren den Blick großer Mehrheiten in der Republik auf die Wirklichkeit der Welt. Dabei lassen sich die Herausforderungen, die hinter den Mauertrümmern jenseits des Wohllebens sichtbar werden, in ihrer Dimension eines großen geistigen und konkreten Bruchpunktes in der Zivilisationsgeschichte kaum übersehen.

Dieser Bruchpunkt wird in seinen Gegensätzen in der Gesellschaft und in der politischen Öffentlichkeit immer schärfer zugespitzt zwischen denjenigen ausgetragen, die versprechen das Hergebrachte zu erhalten und den anderen, die sich denkend und handelnd an Neuem versuchen. Konkret meint das drei die Politik und das Leben jedes Einzelnen direkt betreffende Lebensfelder.

In der Reaktion auf die Klimakrise wird die Verteilung, der Gebrauch und Verbrauch der natürlichen Ressourcen aller Menschen auf der Erde neu oder erstmalig reguliert. Hier kann und wird es nicht ohne substantielle Veränderungen der Lebensgewohnheiten abgehen. Das für der Erhalt allen Lebens auf der Erde notwendige Minimum an Verbrauch natürlicher Ressourcen wird zum einschränkenden Maß für jeden Einzelnen werden. Energie, Mobilität, Bauen und Leben jenseits der fossilen Brennstoffe, das erfordert für lange Übergangszeiten hohe öffentliche und private Investitionen, die nicht mit öffentlicher und privater Verschuldung finanziert werden können. Im Alltag wird dieser Umbau der industriellen und privaten Lebensbasis höhere Lebenshaltungskosten nach sich ziehen, die nicht über Verteilungskämpfe ausgeglichen werden können.

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taz FUTURZWEI N°28: Weiterdenken

Wer ist „Der kleine Mann“, wer sind „Die da oben“, wie geht „Weltretten“, wie ist man „auf Augenhöhe“ mit der „hart arbeitenden Bevölkerung“? Sind das Bullshit-Worte mit denen ein produktives Gespräch verhindert wird?

Über Sprache und Worte, die das Weiterdenken behindert.

U.a. mit Samira El Ouassil, Heike-Melba Fendel, Arno Frank, Dana Giesecke, Claudia Kemfert, Wolf Lotter, Nils Minkmar, Bernhard Pörksen, Bernhard Pötter, Florian Schroeder, Paulina Unfried, Harald Welzer und Juli Zeh.

Zur neuen Ausgabe

Im Kampf der Weltmächte um Hegemonie und Vorherrschaft in der zukünftigen Weltgesellschaft wird es auch in Kriegen, aufgezwungenen oder notwendigen, darum gehen, jenseits aller religiösen oder wirtschaftlichen Machtansprüche, die Freiheit für alle Menschen zu erhalten. Putin, die Hamas und andere fundamentalistische Terroristen, China und andere Diktaturen zwingen dazu, die Freiheit des Westens durch Aufrüstung und das Herstellen von Kampffähigkeit zur Abschreckung, aber auch für nicht auszuschließenden Kriege herzustellen. Dazu gehört auch die Wiedereinführung einer Wehr- und Dienstpflicht in der Republik. Die Debatte um die Finanzierung dieser Investitionen, ist zurück auf der politischen Agenda. Da man Geld nicht zweimal ausgeben kann, stehen die erforderlichen Mittel für Verteidigung für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung. Das wird nicht einfach, aber höhere Abgaben für alle, Kürzungen der Sozialleistungen in allen Bereichen des Sozialstaates, ohne dass der solidarische Zusammenhalt der Gesellschaft auseinanderbricht, sowie die ersatzlose Streichung vieler Subventionen stehen zur politischen Diskussion und Entscheidung an.

Die Demokratie als freiheitliche Herrschafts- und Staatsform des Westens wird gegen ihre Feinde wehrhaft befestigt werden müssen – zum Beispiel mit Parteiverboten, Rechtsbeschränkungen und dem Gebrauch des demokratischen Gewaltmonopols nach innen. Nun kommt das Problem: Die Befestigung der regelgebundenen Demokratie zu einer Staatsform, die sich eben nicht selbst abschaffen kann, sondern ihre Feinde mit rechtsstaatlichen Instrumenten aktiv ausschließt, sie ist nicht möglich ohne autoritäre Elemente. Nach den glücklichen, ultraliberalen Jahrzehnten des mühsam erkämpften Ausbaus der individuellen Freiheiten wird das schwierig und schmerzhaft.

Wie reagieren die Parteien?

Die Frage ist nun, wie sich die Parteien bei der Bundestagswahl 2025 zu diesen drei unangenehmen, aber entscheidenden Zukunftsfragen verhalten. Die Union mit Merz als wahrscheinlichstem Kanzlerkandidaten steht mit Oppositionskrakeelerei und dem Beschwören des „Weiter so“ immerhin bei 30 Prozent, das muss man verstehen. Doch zukunftsoffenes konservatives, freiheitliches Denken ist hier nicht zu erkennen.

Die SPD pflegt ihre Illusionen, alle gesellschaftlichen Problem nach innen mit immer neuen Sozialleistungen abzufedern und einer Kultur, die verspricht jeden persönlichen Einsatz in Kriegen der Zukunft mit Appeasement gegenüber Diktatoren auszuschließen. Die FDP träumt davon, mit Steuergeschenken für Bessergestellte und der nationalistischen Blockade der Vertiefung der EU wenigstens über 5 Prozent zu kommen – mit der großen Geschichte des Liberalismus haben sich nichts mehr zu tun.

Auch wenn es, bei all der Ablehnung, die ihnen entgegenschlägt, nicht gleich auffällt, haben sich derweil die Grünen zu der realpolitischen Zukunftskraft der Republik gemausert. Sie ducken sich vor notwendigen Zumutungen für alle nicht weg. Sie fordern allgemeine Wehrhaftigkeit und stehen hier fest an der Seite von Verteidigungsminister Pistorius. Sie verlangen, sowohl die Ukraine als auch Israel mit allen notwendigen Waffen gegen deren imperialistische und terroristische Bedroher zu unterstützen. Sie stellen die Industrie und die Infrastruktur der Bundesrepublik mit gutem Erfolg und wachsender Akzeptanz jenseits der fossilen Energien neu auf – wenn auch viel bemeckert. Sie bieten als einzige Partei die Gewähr, dass sie jenseits aller Machtspiele grundsätzlich jede Kooperation mit Faschisten beim Regieren ausschließen, für einen Verbotsantrag der AfD zur Verfügung stehen und dafür, die Demokratie verfassungsfest abzusichern.

Im Wettbewerb um die Kanzlerschaft können mittlerweile Scholz, Merz und Habeck als sehr wahrscheinlich Spitzenkandidaten gelten. Kanzler Scholz wird sein Bild des angeblich verantwortungsbewussten, strategischen Zauderers in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr los, auch wenn es nicht immer zutreffend ist. CDU-Partei- und Fraktionschef Merz irrlichtert ohne Kompass und ohne konservative Zukunftsbilder durch die politische Öffentlichkeit. Robert Habeck findet derweil immer wieder zu einer Sprache, die in der großen Tradition der politische Rede Perspektiven weist. Er hält, trotz allen Gegenwindes, intellektuell anspruchsvoll und politisch konkret an seinem Anspruch fest, die politische Führungsfigur der ganzen Republik zu sein. Trotz der unpolitischen Pirouetten seiner Partei ums Kindergeld, der unverantwortlichen Zustimmung zur Freigabe von Marihuana und auch der programmatischen Defizite zum Entwickeln eines Ökosozialstaates sind die Grünen unter dem Einfluss des Vizekanzlers zur Staatspartei herangewachsen, der von stabilen 15 Prozent machbares und notwendiges Neues zugetraut wird.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für das Magazin taz FUTURZWEI.