Klimabewegung nach EU-Wahl: Erst das Parlament, jetzt die Grube

Nach ihrem Punktsieg bei den Europawahlen wollen Klimaaktivisten den politischen Druck erhöhen: mit Baggerblockaden und Massenprotesten.

Demonstranten halten ein langes Transparent; im Hintergrund ist ein Abraumbagger zu sehen

Klimaaktivisten ziehen eine Rote Linie für die Braunkohlebagger am Hambacher Forst Foto: dpa

BERLIN taz | Erst die Parlamente, dann die Kohlegruben: Nach den Erfolgen der Klimaschutzbewegung bei der Europawahl und der Debatte um die politische Neuausrichtung der Volksparteien wollen Klimaaktivisten den politischen Druck noch weiter erhöhen. Dazu plant ein großes politisches Bündnis für Ende Juni eine breite Mobilisierung zur Erstürmung von Kohlegruben im Rheinischen Braunkohlerevier sowie Großdemonstrationen in Nordrhein-Westfalen. Erwartet wird, dass sich bis zu zehntausend Schülerinnen und Schüler der Fridays-for-future-Bewegung den geplanten Protesten im Rheinland anschließen könnten.

Geplant ist nach taz-Informationen eine mindestens zweitägige Besetzung des Braunkohlereviers Garzweiler, zu der das Protestbündnis „Ende Gelände“ ab dem 21. Juni aufruft. Die Klimaschutzaktivisten kündigen an, dann mit mehreren tausend Menschen die Kohle-Infrastruktur zu blockieren. Sie kritisieren, das Rheinische Braunkohlerevier gehöre zu den größten Luftverschmutzern Europas, und fordern einen raschen Ausstieg aus der Verstromung der Kohleenergie.

Die „Ende Gelände“-Proteste hatten im Laufe der letzten Jahre immer größeren Zulauf erhalten und bereits mehrfach für mehrere Tage den Braunkohlebetrieb sowohl im Rheinland als auch in der Lausitz teils empfindlich gestört. Mittel des Protests sind Bagger- und Straßenblockaden sowie Aktionen zivilen Ungehorsams. Organisatoren gehen davon aus, dass zwischen 6.000 und 8.000 Menschen bereit sein könnten, sich solchen Aktionen zivilen Ungehorsams anzuschließen. Das wäre ein neuer Rekord der Klimabewegung; angesichts der derzeitigen politischen Stimmung wohl nicht unrealistisch.

Parallel dazu ruft die Fridays-for-Future-Bewegung für den 21. Juni, einen Freitag, zu Massenprotesten im rund 60 Kilometer von Garzweiler entfernten Aachen auf. Clara Reemtsma, Mitorganisatorin der Schülerbewegung aus Münster, sagte der taz: „Wir wissen, dass Aktivisten und Schülerinnen aus der Schweiz, Italien und Belgien kommen wollen, dass Menschen aus Dänemark und Polen ihre Anreise planen, und gehen von sehr großen Protesten an diesem Wochenende aus.“

Auch große Nichtregierungsorganisationen wie die Kampagnenorganisation Campact, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Greenpeace und die Naturfreunde wollen zu den Massenprotesten aufrufen. Für den Samstag planen sie gemeinsam mit lokalen Anwohnerinitiativen Protest in den teils akut von Enteignungs- und Umsiedlungsplänen betroffenen Dörfern wie dem nahe an der Abbruchkante gelegenen Ort Keyenberg, der nach jetzigem Stand im Jahr 2023 weggebaggert werden könnte.

Hambacher Forst erhalten

Der BUND fordert dagegen, die Vorschläge der Kohlekommission der Bundesregierung so umzusetzen, dass die bedrohten Dörfer nicht mehr weichen müssen und auch der Hambacher Forst erhalten bleiben kann. Das Braunkohlerevier Garzweiler liegt gut 30 Kilometer entfernt vom Tagebau Hambach, wo seit Jahren ein erbitterter Konflikt um die Zukunft des Hambacher Forstes geführt wird, der bundesweit immer wieder für Aufsehen sorgte.

Auch die Polizei sowie die Energiebetreiber in Nordrhein-Westfalen bereiten sich auf das Szenario vor. Das Betreiberunternehmen RWE verschickte zuletzt über Anwälte Unterlassungsverpflichtungen an ausgesuchte Klimaaktivisten, um damit ein Betretungsverbot auf dem Betriebsgelände des Unternehmens durchzusetzen – etwa an die Pressesprecherin des „Ende Gelände“-Bündnisses, Kathrin Henneberger.

In dem Schreiben, das der taz vorliegt, wird Henneberger aufgefordert, bis zum Dienstag eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Offenbar versucht RWE derzeit, potenzielle Blockierer mit angedrohten Vertragsstrafen in Höhe mehrerer zehntausend Euro von Blockaden abzuhalten. Henneberger kündigte dagegen an, eine solche Unterlassungserklärung nicht zu unterschreiben.

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