Knirschen zwischen den Ebenen: Stadt, Land, Frust

Egal, wer in Schleswig-Holstein regiert: „Die da oben“ machen sich auf dem Land immer unbeliebter.

Marter-Werkzeuge? Das Instrumentarium eines schleswig-holsteinischen Parlamentsausschuss-Vorsitzenden. Foto: dpa

KIEL taz | Aasbüttel, Grube, Müssen, Todesfelde, Steinfeld oder Ekel an der Alten Sorge: Nein, es werden keine sehr glücklichen Gefühle gewesen sein, aus denen heraus die ursprünglichen Bewohner ihre Dörfer benannten. Die heutigen Schleswig-Holsteiner aber halten strikt an der Eigenständigkeit ihrer Ortschaften fest – alle Versuche, den Flickenteppich aus kleinen und kleinsten Gemeinden zu glätten, sind gescheitert.

Allerdings läuft seit Jahren ein Prozess, um die Verwaltungen zusammenzulegen. Geht es nach dem Willen der Koalition aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW), kann der Innenminister bald zwangsweise für Fusionen sorgen. Opposition und Kommunalverbände protestieren, die Regierung verweist darauf, dass bestehende Rechte nur ausgeweitet werden – und dass bereits eine CDU-Regierung Ähnliches wollte.

„Die kommunale Selbstverwaltung wird mit Füßen getreten“, klagte Petra Nicolaisen (CDU) jetzt während der Plenardebatte des Landtags in Kiel. Gemeinden hätten nach dem Plan der Regierung nur noch ein Anhörungsrecht, keine Mitsprache mehr. In der Tat heißt es im Gesetzentwurf, das Innenministerium „kann anordnen, dass ein Amt auf eigene Beschäftigte und Verwaltungseinrichtungen verzichtet“. Die Gemeinde müsse dann auf die Dienste des nächsten größeren Ortes, der zum selben Amt gehört, zugreifen, oder könne über die Amtsgrenze hinweg eine „Verwaltungsgemeinschaft“ gründen.

Beate Raudies (SPD) rät dazu, „mal wieder von den Bäumen runterzukommen“: Es ging vor allem darum, den Zusammenschluss von Behörden über die Ämtergrenze zu ermöglichen. Dazu sei bisher eine „Ein-Amtung“ notwendig. Die Folge, entgegnet Johannes Callsen von der CDU, sei jedoch ein leichterer „Zugriff“ der größeren Ämter auf die kleineren.

Das neue Finanzausgleichgesetz trat im Dezember 2014 in Kraft. Es weist Gemeinden, Kreisen und Städten Mittel zu, die sich je nach Aufgaben unterscheiden.

Neu ist, dass neben der Einwohnerzahl „soziale Lasten“ einberechnet werden. Davon profitieren Städte mehr als der ländliche Raum.

Der Gemeindetag kritisiert, dass „reiche Kommunen gestärkt, schwache Kommunen geschwächt“ würden. Es gelte das Motto: „Klein hilft groß.“

Eine Verfassungsbeschwerde angedroht hatten die Kommunen bereits vor einem Jahr.

Die CDU sollte das wissen, sagt wiederum die Grüne Ines Strelau süffisant: „Was wir vorlegen, ist eine Kopie eines Entwurfs von Innenminister Klaus Schlie“ – aus der Zeit der CDU-FDP-Regierung. „Man kann uns höchstens vorwerfen“, so Strelau, „dass wir die Idee abgekupfert haben.“

Ziel des Landes, so steht es auch im Gesetz, ist eine „sparsame, wirtschaftliche, leistungsfähige Verwaltung“. Auf der Seite der Gemeinden steht, „der vorgefundene Drang, unbedingt eine eigene Verwaltung zu behalten“, wie sie der Landesrechnungshof vielen Orten attestiert.

Allerdings hat sich in den vergangenen Jahren die Zahl der Verwaltungen deutlich reduziert: 144 Amts-, Stadt- oder Gemeindeverwaltungen sind es noch für die zurzeit 1.116 selbstständigen Orte des Landes. Fast in allen Fällen fanden Fusionen oder die Neuverteilung von Aufgaben auf mehrere Verwaltungen freiwillig statt. Auch in Zukunft solle Zwang „nur in Ausnahmefällen greifen“, verspricht Innenminister Stefan Studt (SPD).

Er liegt aktuell auch wegen einer andere Frage mit den unteren Ebenen im kommunalen Gefüge im Streit, auch hier geht es um Landesgesetze, durch die sich Kreise und Gemeinden benachteiligt fühlen: Mehrere Kreise wollen eine Verfassungsbeschwerde gegen das vor einem Jahr in Kraft getretene Finanzausgleichsgesetz einleiten, das für eine gleichmäßige Verteilung der öffentlichen Mittel sorgen soll (siehe Kasten). Viele Orte fühlen sich durch die Neuregelung jedoch benachteiligt.

Studt verteidigt das Gesetz, das noch unter seinem Amtsvorgänger Andreas Breitner (SPD) entstand: „Wer jetzt ruft, er sei ein Reformverlierer, dem halte ich entgegen: Du hast bislang von einem ungerechten und intransparenten System profitiert – und das auf Kosten anderer.“ Solche Angriffe aus Kiel hören die Schleswig-Holsteiner Gemeindeoberen nicht gern – von Aasbüttel bis Ziethen.

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