Koalitionsdebatte Griechenland: Rösler weiter unter Beschuss

Die Attacken auf den Wirtschaftsminister hören nicht auf. Die SPD hält einen Rücktritt für dringend nötig, die Wirtschaft kritisierte Röslers Gedankenspiele als unverantwortlich.

Steht ihm das Wasser schon bis zum Hals? Kritik gibt es auf jeden Fall genug an Philipp Rösler. Bild: dpa

BERLIN dpa/rtr | SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) Verantwortungslosigkeit in der Griechenland-Debatte vorgeworfen. "Wir sind die größte Volkswirtschaft in Europa. Alle schauen auf uns", sagte er am Donnerstag im Morgenmagazin der ARD. "Und da darf man nicht daher reden wie am heimischen Küchentisch." Ein Wirtschaftsminister und Vizekanzler sei dafür verantwortlich, den Kurs der Regierung zu bestimmen oder zumindest einzuhalten, sagte Steinmeier mit Blick auf Röslers Äußerungen über eine mögliche geordnete Insolvenz Griechenland.

Diese Äußerungen hätten nichts mit Europa oder mit Griechenland zu tun, sagte der SPD-Politiker: "Herr Rösler versucht, die FDP in Berlin über die Fünf-Prozent-Grenze zu heben. Aber das steht einem Wirtschaftsminister und Vizekanzler in dieser schwersten Krise Europas nicht zu." Die Entlassung Röslers "drängt sich fast auf", sagte Steinmeier. Dies scheine ihm aber noch nicht die "Heilung" des Kabinetts zu sein.

Auch führende deutsche Wirtschaftsexperten haben die öffentlichen Gedankenspiele von Vizekanzler Rösler über einen Staatsbankrott Griechenlands als unverantwortlich kritisiert. "In der gegenwärtigen Situation kann Politik nicht öffentlich über alles philosophieren, was einem so einfällt", sagte der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, Handelsblatt Online.

Vorschläge, die nicht zu Ende gedacht seien und deren Wirkungen nicht bedacht und ohne überzeugende Begründung als der rettende Ausweg bewertet würden, seien kein sinnvoller Beitrag zur Debatte. Nirgends sei zu erfahren, welche Probleme durch eine Insolvenz gelöst würden, und es werde verschwiegen, welche so entstehen könnten.

Nicht zu Ende gedacht

Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, bewertete die Debatte zwar prinzipiell als notwendig. "Entscheidend ist aber, wer sie führt und wie sie geführt wird", sagte Horn dem Online-Portal. "Wenn verantwortliche Regierungsmitglieder die bisherige Strategie der Bundesregierung in Frage stellen, dann rufen sie verstärkte Unsicherheit in einem ohnehin verunsicherten Umfeld hervor", warnte der IMK-Chef. "Das ist der Stoff, aus dem Finanzmarktkrisen entstehen."

Dies gelte umso mehr, wenn Vorschläge gemacht würden, die offensichtlich noch nicht zu Ende gedacht seien. Dazu zähle die Forderung nach einer geordneten Insolvenz Griechenlands, ohne dass es bisher auch nur Ansätze einer gültigen Insolvenzordnung gebe.

Mit Rösler hatte erstmals ein Mitglied der Bundesregierung eine Staatspleite Griechenlands ins Gespräch gebracht. Der Wirtschaftsminister nannte eine geordnete Insolvenz denkbar, wenn dafür die Instrumente zur Verfügung stünden. Rösler verteidigte seine Äußerungen im Tagesspiegel: "Gerade in meinem Amt muss ich offen sprechen." Die Menschen würden Ehrlichkeit erwarten. Man müsse ihnen sagen, was passieren könne, wenn Griechenland seine Reformzusagen nicht einhalte.

Gerhardt: Koalition nicht bedroht

Inzwischen gibt es auch erste Spekulationen über einen Bruch der Koalition. Ex-FDP-Chef Wolfgang Gerhardt sieht die schwarz-gelbe Koalition wegen des Streits aber nicht bedroht. "Das ist kein Sprengsatz", sagte der Vorstandsvorsitzende der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung am Donnerstag im Deutschlandradio. Gerhardt plädierte für eine offene Aussprache zwischen Union und Liberalen. Zur Griechenland-Debatte, die FDP-Chef Philipp Rösler angeheizt hatte, sagte der ehemalige Parteivorsitzende: "Im Grunde muss eine Gesellschaft und eine Politik die Lage so diskutieren, wie sie die Menschen empfinden."

Allerdings müssten sich die Politiker darüber im Klaren sein, dass von Deutschlands Haltung und Engagement auch das Ansehen des Landes in der internationalen Gemeinschaft abhänge. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, rügt Gerhardt die Euro-Skeptiker in seiner Partei und erinnert an die Tradition der FDP als Europapartei. Das Blatt zitiert aus einem Schreiben des Ex-FDP-Chefs, in dem er den Mitgliederentscheid kritisiert, mit dem einige FDP-Politiker den dauerhaften europäischen Rettungsschirms ESM stoppen wollen. Ein solcher Schritt sei "angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen einfach zu einfach".

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