Kolumne Berliner Galerien: Im Zeichen der Linie

Noemi Molitor spaziert die Linienstraße entlang und empfiehlt Kunst von Olafur Eliasson, Dongwhan Kang und Markus Oehlen.

Markus Oehlen, „Todo debe irse“ (Picasso), Installationsansicht Foto: Matthias Kolb; courtesy Markus Oehlen/ Gerhardsen Gerner

Die Linienstraße in Mitte lässt sich zurzeit im Zeichen ihrer Namensgeber, der Linie, begehen. Gleich an drei Orten ist diese in verschiedensten Materialisierungen zugegen – als geometrische Begrenzung für ephemeren Inhalt und in Form mehrfach gebogener Kurven, gemeinhin auch als Schlangenlinien bezeichnet.

neugerriemschneider stellt Arbeiten von Olafur Eliasson aus, für die er mit Wasser in verschiedenen Aggregatzuständen experimentiert hat. Partikel aus gefrorenen Gletscherblöcken schmelzen auf der Papieroberfläche und lassen die unterliegende Aquarellfarbe auslaufen, sodass sich zarte gelbe Kreise um kräftige Lila-Akzente formieren.

Der runden Form steht ein Betonquader mit dem Titel „The presence of absence“ gegenüber. Im Innern dieser kubischen Skulptur zeichnet sich der Abdruck eines geschmolzenen Brockens Gletschereis ab, der als organischer Luftraum zurückbleibt.

Einatmen, Ausatmen

Dongwhan Kang setzt sich ebenfalls mit dem Element Luft auseinander, allerdings mit dem Ein- und Ausatmen. Die Installation „Die Atem Maschine“, zu sehen im Schaufenster von Berlin-Weekly, besteht aus einem Plastikbehälter und inein­ander geschlungenen Schläuchen, an deren Ende sich zwei gelbe Ballons mit Luft füllen. Ein Rad und eine Fahrradkette pumpen scheinbar autark Luft durch diesen verschnörkelten Kreislauf.

23.000 mal atmet ein Mensch pro Tag und lässt dabei zwölfeinhalb Kubikmeter Luft durch den Körper kursieren – so erklärt es die Ausstellungskarte, die auch gezeichnete Entwürfe Kangs zeigt, auf denen sich die Luftbehälter noch direkt unter der Pumpe angesammelt haben, deutlich mehr als zwei in der Zahl. Die Reduzierung auf das gelbe Duo lässt die Apparatur, die hörbar einen „Herzschlag“ auf die Straße leitet, umso anthropomorpher erscheinen.

Knäule, Knoten, Kordeln

Exile, Kurfürstenstr. 19, donnerstags bis samstags 13–18 Uhr, bis 15. Juli

Galerie Patrick Ebensperger, Plantagenstr. 30, dienstags bis samstags 13–19 Uhr, bis 1. Juli

48 Stunden Neukölln, 23. bis 25. Juni

Vom geschlängelten Schlauch zur verknoteten Kordel: Gerhardsen Gerner zeigt eine neue Bilderserie von Markus Oehlen. Der Maler begann in den 1990ern gefundene Bildelemente in seine Kompositionen zu integrieren. Die Muster und Linienraster, mit denen er auch hier seine Bilder unterlegt, stammen aus seiner Zeit als Musterzeichner und treffen auf das Motiv der Kordel, verschwurbelt, geknäult und in überbordenden Farben.

So verdichtet Oehlen Malerei und digitale Fotokunst zu Collagen, die plastischen Kabelsalat feiern, an entscheidenden Stellen aber zu schmalen schwarzen Linien zurückkehren und die Paradefigur der Eindimensionalität in die optischen Täuschungen einflechten.

Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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