Kolumne Darum: Der Kinder neue Farben

Kolumnenkinder brauchen Namen. Lange habe ich gesucht und bin nun fündig geworden: Ich habe ein schwarz-gelbes und ein schwarz-weißes Kind.

Vereint die Farben beider Kinder: Exemplar aus der Gattung der Arctiidae. Bild: Imago / Westend61

Lange habe ich Patricia Cammarata sowie meine Kolumnisten-Kollegin Anja Maier beneidet. Sie haben, wenn sie über ihre Kinder schreiben, sehr schöne Namen für die Nervensägen gefunden, auf die sie immer wieder zurückgreifen können.

Cammarata spricht oft von Kind 1.0, Kind 2.0 und Kind 3.0. Die „Einssechzigblondine“ nannte Maier ihr Kind. Ich dagegen hatte immer nur „den Sohn“ und „die Tochter“. Das ist langweilig, aber nichts anderes zeichnete sich als Kolumnistenkindername ab.

Es gab Tendenzen, gewiss. Als ich mir sicher war, die Tochter aller möglichen Missverständnisse zum Trotz das Berti-Vogts-Kind zu nennen, weil sie als Verteidigerin in der E-Jugend wie ein Terrier agierte, schmiss sie den Fußball plötzlich hin. Der Sohn war kurz davor, als Frühaufsteherkind in die Kolumne einzugehen. Da besann er sich und schlief aus.

Das ist gut; für ihn, für mich und für die Kolumnen-Namensgebung. Berti-Vogts- und Frühaufsteherkind, das passt ohnehin nicht zusammen.

Nun aber ist alles anders. Die Tochter ist das schwarz-gelbe Kind und der Sohn das schwarz-weiße. Schwarz-gelb, ja, sie ist BVB-Fan. Schon länger und es wird immer inniger. Autogrammkarten, eine tanzende Stofftierbiene, Mütze, Schal, Trikot, Fußballschuhe, Fingernägel und zuletzt auch ein von der Oma gestrickter Kapuzenpolluver und eine Tragetasche – wenn ich das schwarz-gelbe Kind sehe, wird mir bewusst, wie schön die Vielfalt der Farben auf der Welt ist.

„Aus einer schachfernen Familie“

Grün, Blau und Rot sind auch beim schwarz-weißen Kind selten. Es spielt zu Hause, am Brett und gegen den Schachcomputer. Er spielt im Verein und manchmal auch auf Turnieren. Wenn ich da mitgehe, betrete ich eine schwarz-weiße Welt, in der man nur in Buchstaben-Zahlen-Kombinationen spricht, und wo man meinen Sohn, das schwarz-weiße Kind, mitleidig anschaut, wenn er mit mir zwischen zwei Turnierspielen in der Pause eine Partie spielt.

„Sieh mal“, sagte da neulich ein Vater zu seinem Sohn, als sie unser Spiel beobachteten, „wir sprachen schon darüber, dass nicht wie bei uns alle in der Familie Schach spielen. Der Junge dort kommt aus einer schachfernen Familie.“ Ich habe das Modewort bildungsfern nie gemocht. Seit diesem Spruch reagiere ich darauf wie eine Dame auf einen ungedeckten Bauern.

Fußballfern bin ich hingegen nicht. Wenn der BVB in der Bundesliga spielt, hört das schwarz-gelbe Kind BVB-Netradio. Es ist sinnlos, in dieser Zeit etwas vom schwarz-gelben Kind zu wollen. Es taucht ab in eine Welt, in der es nur Schwarz und Gelb gibt und in der niemand sprechen darf, der nicht Boris Rupert oder Norbert Dickel heißt. Ich akzeptiere das, denn oft ist meine Welt im gleichen Zeitraum //www.werder.de/:grün-weiß.

Wenn aber Champions League ist, will das schwarz-gelbe Kind das Spiel sehen. Wir gehen dann in eine Kneipe, wo sonst nur Erwachsene sitzen, und das schwarz-gelbe Kind, das mit der Pubertät die gleiche Wechselwirkung hat wie Schwarz und Gelb, genießt es, dass es bei flüchtiger Betrachtung als junge Erwachsene durchgeht, die in Gaststätten rumlungert. Fällt aber ein Gegentor, greift es zu meiner Hand und hält sie fest.

Ich mag den BVB und ich mag es, wenn BVB-Gegner Tore schießen, weil dann aus dem kindfernen BVB-Fanartikelkleiderständer einfach wieder das schwarz-gelbe Kind wird.

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Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.

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