Kolumne Der Zuckerberg Teil 14: Sisyphos hatte recht

Erst wenn man den Eltern ihren Computer erklären muss, weiß man, wie sehr Marc Zuckerberg bei der Anhörung im US-Senat gelitten hat.

Senioren mit Miniaturhäuschen

Wenn der Rechner nicht will, stellen ältere Leute ihn schon mal einfach in den Garten Foto: dpa

Im Fernsehen sehe ich Marc Zuckerbergs verzweifeltes Gesicht. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals Mitleid mit ihm haben könnte.

Ein hochintelligenter Mann, emotional beschränkt, völlig humorfreie Zone und besessen von seiner Idee. Er war jung, wollte ursprünglich nur eine Anbaggermaschine erfinden, weil es für Nerds wie ihn schwierig ist, abseits der Campus-Vergewaltigungen ein Mädchen kennenzulernen, und das Geld brauchte er auch. Das aber jetzt wollte er doch alles nicht.

Tja, die Daten. Erst gesammelt, dann verkauft, dann verschludert. Es wurden halt zu viele – wer hat da noch die Übersicht? Nun sitzt er vor dem Kongress und muss die absurden Fragen technisch abgehängter Senioren, äh, Senatoren beantworten.

Werden die Bilder, die durch das kleine Loch in meinem Laptop aufgenommen werden, direkt weitergegeben: an Firmen, an Russland, an den Teufel? Mr. Zuckerman, können Sie einfach die Daten von allen Leuten da rausholen? Sprechen Facebook, WhatsApp und Instagram ohne jede Beteiligung einer menschlichen Person miteinander?

„Wo muss ich drücken?“

Ich weiß genau, wie er sich fühlt. Er möchte schreien, darf es aber nicht. Er muss versuchen, geduldig zu bleiben. Obwohl keine Antwort irgend­etwas bringt. Weil ein didaktisch derart niedriger gemeinsamer Nenner gar nicht existieren kann. Sie alle werden sich in einer Spirale des Unverständnisses im Kreis drehen, bis zum Jüngsten Tag.

Er tut mir leid. Denn ich sehe mich, zu Besuch bei meinen Eltern. „Wo muss ich da jetzt ­draufdrücken?“, „Komisch, wenn ich das anklicke, passiert gar nichts“, „Das Mistvieh macht mal wieder, was es will“, und manchmal muss auch ich mich vor dem Kongress verantworten: „Du warst doch gestern an unserem Computer. Deine Mutter und ich würden dich bitten, nicht immer alles umzustellen. Dann kennen wir uns doch gar nicht mehr aus.“Ich habe nichts umgestellt. Bitte! Was denn? Und warum hätte ich das tun sollen?

Aber ich kann nichts beweisen, nichts begründen, kein Wort auf fruchtbaren Boden fallen lassen. Denn es gibt keinen. Der Boden ist verbrannt, ein Russlandfeldzug der Logik und der Argumente. Ich will schreien, ich will weinen, ich möchte meine alten Senatoren, äh, Eltern töten.

Mr. Suckerbird, es geht da um diesen wahnsinnig cuten Clip von meinem sechsjährigen Enkel, wie er das Magazin seiner X20 auf einen alten Teddybären leerfeuert. Ich hab mehrmals auf „Teilen“ geklickt, aber das erscheint nie vornedrauf, sondern nur in meinem persönlichen Kästchen …

„Profil.“ – „Nein, schon von allen Seiten.“ – „Ich meine, Congressman, Sie können das dann nur in ihrem Persönlichen Profil sehen und nicht in Ihrer Timeline: Habe ich das richtig verstanden?“

„Timeline …?“

Blass sieht er aus. Er soll Leuten einen komplizierten Datenskandal erklären, die nicht wissen, was die „Enter“-Taste ist. Wie schrecklich. Endlich versteht man, warum Sisyphos sich statt als Lehrer lieber auf dem Bau gemeldet hat. Frische Luft, heile Nerven und ab und an sogar fast ein kleines Erfolgserlebnis.

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Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.

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