Kolumne Die Couchreporter: Alternativfaktisch avant la lettre

Homeland hat jetzt eine Mrs. President-Elect. Mehr Aufmerksamkeit im realen politischen Geschehen bekommt aber eine andere Serie.

Hillary und Bill Clinton stehen nebeneinander. Hillary winkt und verzieht das Gesicht

Eine weibliche Präsidentin? Gibt's bei Homeland. Ist aber postfaktisch! Foto: reuters

Wer sich gern mit „alternative facts“ beschäftigt, muss die neue Staffel von Homeland gucken. Wor­um es genau geht, weiß man zwar auch nach zwei Episoden noch nicht. Aber nehmen Sie das: Es gibt einen neuen President-elect. Und die ist eine Frau.

Homeland habe aufs falsche Pferd gesetzt, kommentierten die ersten Kritiker. Sad. Denn Homeland hat alles richtig gemacht. Man stelle sich nur mal vor, die Serie hätte das Amt tatsächlich mit einem populistischen rechten Hetzer mit Haaren auf den Zähnen statt auf dem Kopf besetzt. So wie Trump tickt, hätte der jeden Montag eine Pressekonferenz anberaumt, um seinen Pressesprecher dementieren zu lassen, was am Tag zuvor der falsche Präsident in der neuesten Episode auf Showtime gesagt hat.

Homeland zeigt nicht nur im Jahr 1 der postfaktischen USA, was es heißt, eine alternativfaktische Serie zu machen. Homeland war schon immer eine Serie, die viele aus verschiedenen Gründen total scheiße finden. Die einen halten sie für rassistisch und islamophob. Die anderen ärgerte vor allem der schludrige Umgang mit den Fakten. Homeland war also alternativfaktisch avant la lettre.

Bis zum Wahlkampf 2016 war Homeland die Serie, die sich so nah an aktuelle politische Ereignisse wagte wie keine andere. Ausgerechnet im US-Wahlkampfjahr 2016 eine Staffel in Deutschland spielen zu lassen war für Deutsche aufgrund des Lokalkolorits und für die Fanbase US-amerikanischer Whistle­blower interessant. Ansonsten aber bestellte die andere große Politserie, „House of Cards“, das Feld. Kaum ein Kommentar zur Nominierung von Trump kam ohne den Vergleich mit Francis Underwood aus.

Bis zum Wahlkampf 2016 war Homeland die Serie, die sich so nah an aktuelle politische Ereignisse wagte wie keine andere

So weit vorne „House of Cards“ letztes Jahr war, so viel Zeit nehmen sie sich jetzt. Die ersten vier Staffeln waren bisher immer im Februar, die letzte Anfang März veröffentlicht worden. Letzten Freitag, wenige Stunden bevor Trump den Amtseid schwor, verkündete der Twitteraccount der Serie endlich: „We make the terror.“ Die neue Staffel, so Netflix, komme erst am 30. Mai. Dass die Verspätung mit Trump zu tun hat, dürfte nicht nur Spekulation sein.

Die neue Homeland-Staffel indessen hat ihr Intro geändert. Auf das bewährte großartige Stück „Terminal 7“ von Tomasz Stanko ist die Stimme von Gil Scott-Heron gelegt: „The first revolution is when you change your mind about how you look at things.“ Es ist eine spätere Version seines berühmten „The revolution will not be televised“ und mahnt daran, dass die Revolution zuerst in den Köpfen stattfindet.

Man darf ein Detail der bisherigen Homeland-Staffel nicht gering schätzen: Die gewählte, aber noch nicht vereidigte President-elect, Elisabeth Keane, wird gespielt von Elizabeth Marvel, der Darstellerin, die in „House of Cards“ Heather Dunbar spielt, die Gegenkandidatin von Francis Underwood, die von ihm letztlich mit fiesen Mitteln ausgestochen wird.

Homeland kreiert hier möglicherweise bewusst eine Parallelwelt zur Realität. Schon einmal hat es eine Serie geschafft, dazu beizutragen, dass es einen Politikwechsel im Weißen Haus gibt: „The West Wing“. Wenn diese Rolle nun ausgerechnet Homeland leisten würde: You will never be ignored again.

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