Kolumne Dumme weiße Männer: Eier aus Fleisch

Nach Köln erklären weiße Männer Frauen, wie das mit der sexualisierten Gewalt wirklich ist. Oder sie wünschen ihnen Vergewaltigungen.

Ein Ei mit einem aufgeklebtem lachenden Gesicht

Dieses Ei ist ziemlich aufgeregt. Foto: spacejunkie / photocase.de

Für die Selbstdarstellung weißer Männer ist das neue Jahr ein gutes gewesen. Jeder noch so unbedeutende Blässling kann die eigene Überlegenheit in Sachen Frauenrechte bescheiden zur Beachtung vorlegen. Zum Beispiel ein Facebooker, der zwar selbst regelmäßig Tittenkarikaturen postet, aber als er sich auf meine Profilseite verirrt hatte, bekanntgab: „Ich jedenfalls ehre und achte die Frauen“. Als ihm dann zwei Frauen sagten, sie könnten schon für sich sprechen, trollte er sich mit den Worten: „Ihr werdet erst dann verstehen, wenn Ihr selbst die Leidtragenden seid.“

Welches Leid er ihnen wünschte, führte der Brüstewitzbold nicht aus, aber andere haben da weniger Hemmungen. Einen guten „Grabsch…äh Rutsch“ wünschte ein Leserbriefschreiber einer Kollegin letzte Woche. „Gerate mir nicht unter die Finger du stinkende linksextreme F.“, twitterte ein weiterer einer anderen Kollegin – vier Minuten nachdem er behauptet hatte, dass er „von drei Muslimen vergewaltigt wurde“.

„Ich wünsche Dir, dass Du belästigt wirst“, „Ich wünsche Dir einen arabischen, ungewaschenen Finger da, wo Du ihn nicht haben willst“, zitiert Buzzfeed-Chefredakteurin Juliane Leopold Zuschriften an sie und andere Frauen. Als die Kampagne „ausnahmslos“ von zahlreichen Feminist_innen anlief, verabredeten sich weiße Männer im Internet um ihren Hashtag mit Pornografie und Bildern von Gewalt gegen Frauen zu fluten: „Extra twitter Account anlegen um femnazis zu Bashen? Da bin ich dabei!“ (sic!), schrieb einer ganz hibbelig.

Klar, da wurden Verbrechen an Frauen begangen, die sowieso fast immer nur an Frauen begangen werden, die vorrangig von Frauen erforscht werden, weil sie Männern meist egal sind – aber wenn weiße Männer mal die Verbrecher der „Anderen“ besprechen wollen, haben Frauen den Mund zu halten. Weiße Männer wissen besser, was Frauen zu fühlen haben. Sie wissen besser, welche Verallgemeinerungen zulässig sind und welche Schlüsse zu ziehen sind. Und vor allem wissen sie genau, was Frauen erleben sollten, damit sie endlich mal die Dinge auch so sehen wie weiße Männer.

Weiße Männer? Ja, Trolle im Internet haben weiße Penisse, und Leute ohne sind meistens ihre Opfer. Ähnlich wie die weiß und männlich dominierten „besorgen Bürger“, die heimlich Flüchtlingsheime anzünden, kommt ihre Kritik aus der Anonymität, von Twitterkonten mit einem Ei-Standardprofilbild: „Besorgte Eier“ werden sie genannt. Wenn so ein „besorgtes Ei“ mal die Anonymität verlässt, kommt meist eine traurige, weiße, männliche Existenz zum Vorschein.

Gefühle, Lügen und Strafen

Auch nach Köln haben sich mehrere solche fleischgewordene Eier zu Wort gemeldet.

Wer wissen will, wie sich begrapschte Frauen fühlen, kann bei Ulrich Reitz nachfragen, dem Chefredakteur des Focus. Er verantwortete den Focus-Titel zu Köln, der aus Sicht der Frauen titelte: „Wir klagen an“, und das mit dem Bild einer nackten, weißen Frau mit dunklen Handabdrücken am Körper illustrierte. Die Sicht von Frauen ist dasselbe wie die Sicht auf eine Frau – darauf muss man erst einmal kommen. Doch selbst nach der breiten Kritik am Titel bleibt Reitz dabei: Dieser zeige „sehr treffend, wie sich die Opfer der Silvesternacht gefühlt haben“. Folglich beginnt der Artikel des Focus auch mit einem Opfer, die sagte, dass sie sich gefühlt habe „als würde sie im Fotostudio mit Fingerfarben angemalt“.

Wer wissen will, wann Frauen überhaupt nicht in Gefahr sind, kann sich an den Zahlenjongleur Rainer Meyer wenden, der sonst eher über Weiße-Jungs-Themen wie Computer und Aktien bloggt. Jener weiße Ritter zog aus, um zu beweisen, dass es für Frauen auf dem Oktoberfest gar nicht so schlimm sei. Der Beweis: Die Polizei wollte eine vielzitierte Dunkelziffer eines Präventionsprojektes zu Vergewaltigungen auf dem Oktoberfest nicht bestätigen, weil es definitionsgemäß keine offizielle Dunkelziffer geben kann – es ist eine Dunkelziffer.

Wenn man etwas an der falschen Stelle sucht und dann nichts findet, haben natürlich die anderen gelogen. Gelogen haben dann zum Beispiel jene Frauen, die berichten, welche Maßnahmen sie beim Oktoberfest ergreifen müssen, um sich selbst zu schützen. Offen bleibt, woher die große Motivation kommt, ausgerechnet diesen Beweis führen zu wollen.

Henryk Broder hingegen ersann eine besonders poetische Strafe für jene Autorinnen des Tagesspiegels, die – wie so viele andere auch – darauf hinwiesen, dass es in Deutschland auch abseits von dieser besonders schlimmen Silvesternacht in Köln nicht besonders sicher für Frauen ist. Auf seinem Blog „Achse des Guten“, für den vor allem weiße Männer schreiben, wünschte Broder den Frauen, dass sie bei der Terromiliz Islamischer Staat mal erfahren, was „Rape Culture bedeutet“.

Vergewaltigung ist schließlich die Mindeststrafe für Menschen, die Artikel schreiben, die weißen Männern missfallen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Lalon Sander ist Datenjournalist. Sein Schwerpunkt liegt in der Aufbereitung von Datensätzen zum Klimawandel.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.