Kolumne Durch die Nacht: Fernsehen kann man auch in Berlin

Mal wieder ins Berghain geschafft. Und dort den anderen beim Feiern zugesehen. Was macht man eigentlich noch in Berlin?

Mal ohne Türsteher

Die Tür zum Feiertempel, im milden Sonnenlicht: das Berghain Foto: dpa

Der neueste Trend in meinem Umfeld ist nicht mehr der, sich eine Eigentumswohnung in Berlin zulegen zu wollen, sondern lieber gleich ganz die Stadt zu verlassen. Man zieht nach Hannover oder nach Bremen. Dorthin, woher man einst geflohen ist, wo man sich jetzt aber das Häuschen mit Garten, von dem man anscheinend ab vierzig zu träumen hat, noch leisten kann.

Da bleibt es nicht aus, dass ich mir auch so meine Gedanken mache, was mir Berlin überhaupt noch gibt.

Vor allem dann, wenn ich am Wochenende und eigentlich ja auch an jedem verdammten Wochentag mal wieder hier- oder dorthin ­gehen könnte, zu dieser oder jenen bestimmt fantastischen Veranstaltung, Clubnacht oder sonst was – und dann doch lieber bis tief in die Nacht die neue Staffel der aktuellen Lieblingsserie zu Ende schaue. Beispielsweise „Girls“ über das Leben hipper New Yorker, die anscheinend dasselbe umtreibt wie die Berliner, und wo am Ende auch nur die Flucht in die Provinz bleibt. Fernsehen, denke ich mir dann aber auch, könnte ich tatsächlich wohl gleichfalls in Bremen ganz gut.

Neulich hatte ich es dann tatsächlich aber mal wieder ins Berghain geschafft. In den Laden, in dem man dann hoffentlich wieder weiß, warum man einst hierher gezogen ist.

Am Sonntagnachmittag war ich dort. Also zu der Zeit, von der alle immer behaupten, es sei die beste, zu der ich selbst es aber noch nie geschafft hatte. Und es hat ja tatsächlich etwas für sich, wenn man in einem Club nicht darauf warten muss, dass die Party endlich losgeht, sondern die Hütte längst brennt, wenn man sie betritt.

Beste Kaffee-und Kuchen-Zeit

Aber ich stand dann da, zur besten Kaffee-und-Kuchen-Zeit, in meinem Robert-Habeck-Wollpullover, weil es draußen doch so kalt war, während neben mir die verschwitzten Halbnackten ausflippten. Noch nicht einmal für ein kleines Bierchen war ich zu der komischen Zeit in der Lage, geschweige denn zu dem Zeugs, das einige andere hier intus hatten.

Vielleicht komme ich mit dem Berlin-Rhythmus einfach nicht mehr mit, dachte ich mir. Vielleicht wird es auch für mich Zeit für Hannover

Vielleicht komme ich mit dem Berlin-Rythmus einfach nicht mehr mit, dachte ich mir. Vielleicht wird es auch für mich Zeit für Hannover.

Gut war es dann, ein paar Tage später mal die Stadt zu verlassen, zumindest die Innenstadt. Raus in den Speckgürtel Berlins, wo man grob das simuliert bekommt, was die anderen bei ihrer Landflucht anscheinend gerade suchen.

Die Alternative zur Großstadt

Da war sie, die Alternative zur Großstadt, mit ihren Häuschen und gepflegten Vorgärten und wo schon abends zur Tagesschau-Zeit niemand mehr auf den Straßen zu sehen war. Kein Dreck, kein Lärm, keine Bettelpunks, und wahrscheinlich sammeln hier die Leute sogar die Hinterlassenschaften ihrer Hunde ein.

Es war, ehrlich gesagt, schrecklich, und gleich der erste Fußgänger, den ich im typisch Berliner Fahrradfahrerstil überholte, maulte mir auch noch etwas hinterher. Nein, hier gehörte ich wirklich nicht hin.

Wie froh war ich dann, wieder zurück im Moloch zu sein, wo jeder seinen Sperrmüll einfach vor die Tür stellt und wo man durch keinen Park gehen kann, ohne dass man von einem Drogendealer angequatscht wird. Wegen alldem bin ich ja eigentlich hier in Berlin, wurde mir plötzlich klar, und mit dieser beruhigenden Erkenntnis dämmerte ich langsam auf der Couch vor dem Fernseher weg.

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