Kolumne Fernsehen: Jetzt schon Kult, das „Kult“-Verbot

Kultserien, Kultshows, Kultfilme – das nervigste Wort der Welt gehört endlich auf den Index. Wann reagieren Politik und Verbraucherschutz?

Hat der etwa eine dritte Hand? Nein! Doch! Ooooh! Für die DPA ist Louis de Funes Kult. Bild: dpa

Der Rundfunkstaatsvertrag regelt quasi alles. Er verbietet beispielsweise ein Navi mit der Stimme von „Tagesthemen“-Sprecherin Caren Miosga, denn die Öffentlich-Rechtlichen dürfen keine Routenplaner anbieten. Diese Beschränkung dürfte den ARD-Chef Lutz Marmor ebenso fuchsen wie der Umstand, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio auch keine Branchenregister und -verzeichnisse sowie Business-Networks anlegen dürfen (alles geregelt in der Anlage zu Paragraf 11d Absatz 5 Satz 4).

Auch die Privaten bekommen Auflagen mit: Zum Beispiel müssen sie „den Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den Jüdischen Gemeinden … auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen einräumen“ (Paragraf 42). Selbstverständlich dürfen diese Übertragungen von Gottesdiensten nicht durch Werbung unterbrochen werden (Paragraf 7 Absatz 1). Obwohl „Nach nur einem Spot geht’s weiter mit dem ’Amen‘“ schon was hätte. Tja, geht nicht. Pech gehabt, RTL.

Bei all diesen Vorgaben, Verboten und Strafandrohungen fragt man sich als gepeinigter Zuschauer, ob zwischen den 64 Paragrafen nicht auch ein Plätzchen für das Verbot des Wortes „Kult“ frei wäre. Am besten gleich für alle Medien, die Bewegtbildinhalte anbieten oder über solche berichten.

Für Arte ist beispielsweise „Lilyhammer“ eine „Kultserie“ – noch bevor sie jemals im deutschen Free-TV zu sehen war (das übernimmt Arte ab Ende Oktober schließlich selbst). Bei Myvideo.de wird „Verliebt in Berlin“ als „Kultserie“ angepriesen. Kein „Twin Peaks“-Artikel kommt ohne den Zusatz „Kultserie“ aus. Für RP Online ist „Mad Men“ eine ebensolche. Wir warten auf die erste Serie, die nicht Kult ist.

Kultshows? Meistens Mist

Und dann gibt‘s da ja noch die „Kultshows“. Ein kleiner Ausschnitt: „Wetten, dass..?“ (ZDF), „Geld oder Liebe“ (WDR), „Gandia Shore“ (MTV). „Kult“ dürfte im Zusammenhang mit „Show“ also so viel bedeuten wie „Ist scheiße und/oder kennt kein Schwein“.

„Kultfilme“ sind derweil alle Werke von Quentin Tarantino.

Leider macht der Kultquatsch auch keinen Halt vorm Radio. Im Gegenteil, dort ist es noch schlimmer. Bei NDR 1 Radio MV ist mindestens jeder zweite Song ein „Kulthit“. Man wird auf einer Autofahrt von Usedom nach Berlin so sehr kultiviert, dass man am Ende nicht mehr weiß, was nun eigentlich schlimmer war: sechs Stunden Stop & Go auf der Autobahn oder sechs Stunden NDR 1 Radio MV?

Was? Der ist auch Kult?

Und auch im Internet wird’s nicht besser: Dort, um genauer zu sein im Darknet bei bild.de, ist Comedian – tschuldigung: „Kult-Comedian“ – Matze Knop unterwegs, um in seiner „Kult-Liga“ entweder den „Kult-Kloppo“, den „Kult-Pep“ oder den „Kult-Kaiser“ zu parodieren.

Schneller kann man einen Begriff nicht seines Sinns berauben. Warum hat sich noch keine Verbraucherschutzorganisation dessen angenommen? Und wo bleiben die Hüter der deutschen Sprache? Bastian Sick im Dauerurlaub oder was? Ach, der ist ja selber „Kult“, wie die FAZ uns wissen lässt. Da kann dann auch der Rundfunkstaatsvertrag nicht mehr helfen. Es wäre zu schön gewesen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.