Kolumne Geht’s noch?: Die Hitze ist geil

Der Klimawandel ist da und fordert konkret Menschenleben. Und doch wäre es heuchlerisch, nicht zu bekennen, wie schön der Sommer ist.

Eine Zeichnung zeigt eine Person, die sich auf die Stirn schlägt

Das tut weh Illustration: TOM

In Schweden und Brandenburg brennen die Wälder, in Griechenland starben bislang nahezu hundert Menschen in den Flammen, Dutzende werden noch vermisst, mehr als tausend Häuser sind zerstört. In Deutschland, Russland, selbst im hitzegewohnten Asien zerstört die Dürre die Ernten. Milchbauern schlachten ihre Kühe. Das ­alles sind unübersehbar Aus­wüchse des ­Klimawandels, den niemand mehr reinen Gewissens leugnen kann.

Es ist höchst dramatisch, keine Frage. Menschen kommen zu Tode, Existenzen werden zerstört. Und es ist noch lange nicht das Ende. Die heute als tropisch empfundenen Temperaturen könnten in gut 30 Jahren völlig normal sein, prognostizieren Klimaforscher*innen. Nicht schön. Oder doch?

Doch. Diese Hitze ist – Achtung, jetzt kommt’s, und der Shitstorm ist vor­programmiert – geil, geil, geil. Endlich Sommer, so ein richtiger, mit allem ­Pipapo. Knallige Sonne, kein Regen, kaum Wind. Nach nur wenigen Metern langsamen Laufens bricht der Schweiß aus allen Poren, er sammelt sich auf der Stirn, er nistet sich in den Achselhöhlen ein, er rinnt an den Innenseiten der Oberschenkel herunter. Was für ein irres Gefühl. Glibschig, lustvoll, erotisch.

Jede und jeder kann einfach mal genüsslich vor sich hin stinken, Entschuldigungen sind fehl am Platze. Für den Urlaub im Supersommer muss niemand mehr nach Südfrankreich, in die Toskana oder auf die Kanaren fahren. Der Supersommer brütet vor der Haustür. Was will man mehr?

Diese Wochen sind ein Geschenk für all jene Menschen, die gewöhnlich in den Flieger nach Asien steigen, um ihre Sehnsucht nach dauerhafter Hitze wie dieser zu befriedigen. Das wiederum ist schlecht für den ökologischen Fußabdruck und verstärkt den Treibhauseffekt. Finden Asienreisende natürlich nicht gut. Aber was sollen sie machen?

Die längste Zeit des Jahres ist es dunkel, grau, kalt in Europa. Depressionen haben Hochkonjunktur, so mancher einsame Mensch nimmt sich das Leben. Es regnet gefühlt ununterbrochen, immer öfter kommt es mittlerweile auch hierzulande zu Starkregen, Keller laufen voll. Nach der Schneeschmelze im Frühjahr steigen die Flusspegel, brechen Deiche, überfluten Felder, Dörfer, Städte. Und dann diese ewigen Minusgrade. Heizungen frieren ein, Obdachlose sterben, Straßen werden zu Schlitterbahnen, in den Notaufnahmen sammeln sich die Knochenbrüche. Was soll daran toll sein? Na also.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ressortleiterin taz.de / Regie. Zuvor Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.