Kolumne German Angst: Oh, diese Germans

Der australische Historiker Clark zeigt: Die Deutschen wirken menschlich. Und ihre Nazi-Familien-Soaps sind zum Wohlfühlen.

Ganz nette Typen eigentlich. Szene aus „Unsere Mütter, unsere Väter“. Bild: dpa

Endlich. Die Deutschen haben einen neuen Grüßaugust. Im roten Käfer-Cabrio braust er über die Lande. Ganz unverkrampft führt er durch die sechsteilige „Deutschland-Saga“ des ZDF und ist sich auch nicht zu schade dafür, mit einer gepunkteten Fliege über die Germanen zu sinnieren: der australische Historiker Christopher Clark.

Er ist ganz anders als der steife Nazi-Versteher Guido Knopp, den er beerbt. Doktor Knopp hätte sich niemals mit „Das alles ist Deutschland“, dem wirklich unglücklichsten Song der so unglücklich auf lustig getrimmten Formation Die Prinzen, unterlegen lassen. „Deutsch – deutsch – deutsch“ hämmert es im Dauerloop. Ziemlich locker.

Und während sich in der realen Welt Deutsche in fünfstelliger Zahl als Schutzstaffel des Abendlandes zusammenfinden, beschreibt Clark sie so, wie sie sich selbst gerne sehen: als liebenswert, tiefgründig, naturverbunden. Von der NS-Obsession seines Vorgängers keine Spur.

Dämmstoff für die Fehlstelle Holocaust

Nazis kommen nur am Rande vor – es sind jene, die der Deutschen Liebe zum Wald „missbraucht“ (Clark) haben. Und das schöne Wort „Heil“. Mit fernsehkompatiblem Dämmstoff – Laienschauspieler als protodeutsche Höhlenmenschen – wird dann das tiefe Loch gestopft, das die Fehlstelle Holocaust in die Reise durch die deutsche Geschichte gerissen hat.

Clark darf das! Er kennt die Deutschen. In seinem Opus „Die Schlafwandler“ nahm er ihnen zumindest die Last, für den Ersten Weltkrieg verantwortlich zu sein. Und stürmte Bestsellerlisten wie Herzen. Doch die „Deutschland-Saga“ ist nur ein Teil des ZDF-Besinnungsfernsehens.

Jüngst bekam der Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ einen Emmy. Außerhalb von Deutschland aber kam er überhaupt nicht gut an. Das lag wahrscheinlich an den in Filmschmalz gegossenen fünf Stunden Selbstmitleid: die Nazis als heimliche Helden, die Juden selbst schuld an ihrer Misere und die polnischen Partisanen die eigentlichen Antisemiten.

Sieben Millionen Zuschauer fanden diese Amnesie super. Und so geht es weiter mit den NS-Familien-Soaps, die endlich nicht mehr von Krieg und Verbrechen handeln. Sondern von Leid – und das ist ja allgemein menschlich, also auch deutsch. Im Mittelpunkt: die Täter. Denn auch die litten unter den Umständen, es war ja auch nicht einfach, die Liebe zur Familie, den Krieg und die Vernichtung der Juden auf Kette zu kriegen.

Die Schwadroniergrüppchen des Tätervolks

Und darüber reden sie nun ausgiebigst. In „Das Zeugenhaus“ rottet sich das Tätervolk in Schwadroniergrüppchen zusammen, suhlt sich im selbstgerechten Geschwafel von der Unmöglichkeit der Schuld. Klar, dass in diesem Stelldichein der netten Nazis alle stören, die diese lästigen Fragen nach Verantwortung in die kuschelige Atmosphäre tragen: die Amerikaner, Juden und KZ-Häftlinge – aber die stehen ohnehin meist nur als Staffage am Bildschirmrand.

„Es gibt keine Unschuld mehr, auch keine Schuld. Nur noch grau in grau“, sagt ein Exnazi im Zeugenhaus. Für das neue deutsche Wohlfühlfernsehen stimmt das. Hauptsache, unsere Mütter, Väter, Omas und Opas sind irgendwie auch unschuldig – so geht die Deutschland-Saga.

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Vollzeitautorin und Teilzeitverlegerin, Gender- und Osteuropawissenschaftlerin.

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