Kolumne Habibitus: Was ist das für 1 Scheißjahr?

2016 lief nicht gut. Wir haben es verstanden. Die gute Nachricht: Es ist bald vorbei. Die schlechte: Danach kommt 2017.

Der im April vrestorbene Sänger Prince auf der Bühne

Richtig scheiße: Prince ist nicht mehr unter uns Foto: ap

Ihr könnt es wahrscheinlich nicht oft genug hören: 2016 neigt sich dem Ende zu. So richtig mit Silvester und neuem Kalender. Seit Wochen lese ich allerorts: Fick dich, 2016, verpiss dich, lösch dich!! Am meisten freue ich mich auf das Vergehen, damit die Leute endlich ihre Klappe halten. Als ob das Universum einen Facebook-Post mit dem Hau-ab-Imperativ liest und mitten im November das Jahr beendet.

Dass 2016 ein beschissenes Jahr war, haben wir alle verstanden. Donald Trump serviert uns 50 Shades of Scheiße. Einige der größten Ikonen unserer Zeit starben. Die zig terroristischen Anschläge mit rassistischen, rechtsextremistischen oder islamistischen Hintergründen lösten viel Schmerz und unzählige Tote und Massenpanik aus. Unsicherheit verbreitet sich für viele jetzt so richtig. Nicht nur an großen Plätzen, auch in Berliner U-Bahnen, wo du dir nicht gewiss sein kannst, ob nicht ein Typ dich die Treppe heruntertritt. Als am berüchtigten Montagabend vor Weihnachten Facebook von mir wissen wollte, ob ich sicher sei, klickte ich erst mal „ja“, um Angehörigen keine Sorgen zu bereiten.

Reicht das Geld noch für einen Hamsterkauf?

Die Wahrheit ist aber, dass ich und viele andere nie sicher sind. Zwar sicherer als Menschen in Aleppo und für meinen Teil auch sicherer als Schwarze US-Amerikaner_innen, die für ihre bloße Existenz von Polizist_innen ermordet werden. Aber sonst so? Woran messen Leute eigentlich Sicherheit? Am Worst Case Scenario? An der Anzahl alltäglicher Übergriffe? An ihrem Geld, das ihnen im schlimmsten Fall ein Flugticket nach Island oder Kanada sichern kann – oder zumindest einen Hamsterkauf?

Kleiner Realitätscheck: Weder ich noch die meisten meiner Freund_innen und Angehörigen sind jemals wirklich sicher, weil wir zu Den Anderen® gemacht werden und ununterbrochen mit Aggressionen rechnen müssen. War schon immer so, ist kein 2016-Novum. Ohne behaupten zu wollen, dass es dieses Jahr nicht gefährlicher wurde, aber halt nicht von 0 auf 100, sondern von 74 auf 89 oder so. Schlimmer geht leider immer. Resilienz ist unser Ding. Weil unsere Ängste nicht die sind, die von irgendwem, insbesondere von Politiker_innen, ernst genommen werden. Wir fordern Dinge nicht ein, wir müssen sie uns holen. Manchmal klappt es auch, wie es der Sioux-Gemeinde in Standing Rock bei ihren erfolgreichen Protesten gegen die Dakota Access Pipeline gelang.

Was gut war

Ein paar gute Ereignisse gab es dieses Jahr also auch. Es erschienen etwa fulminante Alben von Rihanna, Beyoncé, Drake, Princess Nokia, Solange Knowles, Alicia Keys, sogar nach fünf Jahren von Frank Ocean! Und Hand aufs Herz, bei wem hat der Anblick von Kim Kardashian im roten, knapp 800 Euro teuren Vetements-Kommunismus-Pulli nicht etwas ausgelöst? Hoffnung kommt manchmal eben auch Hand in Hand mit Zynismus. Und sie stirbt bekanntlich zuletzt. Ich für meinen Teil werde als Abschiedsritual zu meinem Friseur gehen und meine Haare ganz kurz schneiden. 1 Strähne = 1 schlechtes Ereignis 2016. Ciao geliebte Kanakenpyramide und hallo Kurzhaarschnitt à la Haftbefehl. Tschüss 2016, man soll aufhören, wenn es am schö

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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