Kolumne Heult doch!: Lebensfragen in aller Herrgottsfrühe

Ist die Uroma jetzt vielleicht eine Katze? Kinder reden gern. Am liebsten ganz früh morgens – über das luftig-leichte Sommerthema Tod zum Beispiel.

Der Fernsehturm in Berlin und ein Stück Himmel mit einer großen Wolke

Sind so Kinderfragen: Sitzt die Uroma vielleicht auf einer Wolke über Berlin? Foto: dpa

Mitten im Sommerloch treiben meine Kinder die richtig schweren Themen um. Der Kleine möchte vorzugsweise über das luftig-leichte Sommerthema Tod sprechen, den Großen beschäftigt die ungelöste Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Am liebsten werden diese Diskussionen in aller Herrgottsfrühe geführt. Ein Löffel Honigmüsli und – wham – sind die beiden wach, noch bevor bei mir der erste Kaffee einschlägt.

Und so hält der Kleine plötzlich gedankenverloren inne beim Müslilöffeln, der Löffel rutscht ihm in eine gefährliche Schräglage, die Milch tropft als kleine Pfütze erst auf die Hose und dann unter den Tisch, und das Kind fragt zum wiederholten Male und mit großem Ernst, ob denn seine Oma eigentlich schon tot sei?

Den Großen bringt das regelmäßig auf die Palme. „Boah, deine Oma hat uns doch gerade erst angerufen, klar lebt die noch!“ Das ficht den Kleinen aber nicht an. Ob denn der Opa schon tot ist? Und die Ritter? Bei den Dinosauriern ist er sich sicher: „Die sind ausgestorben.“ Das letzte Wort betont er neuerdings geradezu ehrfürchtig.

Neulich, wir hatten gerade geklärt, dass seine Uroma schon vor wahnsinnig langer Zeit gestorben ist, hielt er den Löffel besonders lange in konzentrierter Schieflage. Er wollte wissen, wo die Uroma denn jetzt hin sei. Das fand ich eine schwierige Frage – sowieso und ganz besonders morgens um 6.45 Uhr. Hm, sagte ich deshalb. „Na, Uroma sitzt oben im Himmel, hab ich dir doch gestern schon gesagt“, sagt der Große dankenswerterweise. „Wenn man dran glaubt“, schränke ich ein.

Der Kleine ist interessiert. Ob die Uroma dann auch über die Wolken hüpfen könne? Ja, vielleicht, bestimmt, sage ich. „Kann aber auch sein, dass deine Uroma als Katze wieder auf die Erde gekommen ist. Daran glauben auch manche“, sagt der Große wissend. Der Kleine lacht sich kaputt über seine unbekannte Uroma als Katze, und ich sage, dass es auch sein kann, dass man einfach für immer schläft, wenn man tot ist. Aber so genau wisse man das eben nicht.

Zu viel Beten ist auf Dauer nicht gesund

Das Kind ist in einer evangelischen Kita, es war die nächstgelegene mit einem freien Platz und noch dazu die mit den besten Öffnungszeiten. Ich glaube nicht, dass ein „Amen“ vor dem Mittagessen von montags bis freitags großen Schaden anrichtet. Aber ich glaube, dass zu viel Beten auf die Dauer nicht gesund ist. Ich habe das Gefühl, da ab und an ein bisschen Prävention betreiben zu müssen.

Die tote Uroma war dann erledigt, weil der Große wieder mit seinem Frauenthema ankam.

Die tote Uroma war dann ohnehin erledigt, weil der Große wieder mit seinem Frauenthema ankam. Er habe gehört, dass Frauen „total lange“ überhaupt nicht wählen gehen durften! Er ist ehrlich empört. „Mama, warum eigentlich nicht?“ – „Weil die Männer behaupteten, dafür hätten Frauen kein Verständnis und das interessiere sie ohnehin nicht“, sage ich.

„Hä, und was sollte sie dann sonst interessieren?“, fragt das Kind, und gibt sich sogleich selbst die Antwort: „Ah, ich weiß schon, Haushalt und Kinder und so. Deshalb durften sie auch nicht alle Berufe machen, die sie wollten.“ Denkpause. „Aber, Mama, die Kinder werden doch groß!“, sagt das Kind nach einer Weile irritiert.

„Exakt“, sage ich. Und dass das Geschlecht für kompetente Wahlentscheidungen ja nun auch logischerweise unerheblich sei, man sich aber eine Weile geweigert habe, das zu erkennen, weil man Angst vor klugen Frauen hatte. Und dass heute aber auch noch nicht alles in Butter sei weil, stell dir vor mein Kind, die Lohnlücke und so weiter. Mein Kind findet die Lohnlücke ungerecht, sieht aber immerhin den Fortschritt, dass ich mir meinen Beruf selbst aussuchen durfte.

„Als Oma und Opa jung waren, war das übrigens noch nicht so“, sage ich. Doch die Erwähnung von Oma und Opa war ein Fehler. Der Kleine hört auf, die Blaubeeren aus seinem Müsli zu pulen, hält den Löffel schräg und fängt an zu heulen. „Mama, ich will aber nicht ausgestorben sein!“, brüllt er bei der Erwähnung seiner Großeltern. „Ich auch nicht, echt nicht“, seufze ich – und verabschiede mich gedanklich in den Urlaub. Ich fürchte, dieses Jahr fährt Uroma mit.

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