Kolumne Hosen runter: Furchtbar fruchtbar

In Italien werden zu wenige Kinder geboren. Die Regierung will das ändern, macht aber alles falsch. Eine Analyse aus werbepsychologischer Sicht.

Kleine Spielfiguren stehen neben Eierschalen und Eigelb

Ja, ist denn schon Eisprung? Wenn's nach der italienischen Regierung geht: unbedingt Foto: photocase.de/margie

Übrigens, am 22. September ist Furchtbarkeitstag in Italien. Verzeihung, Fruchtbarkeitstag. Ist so eine Kopfgeburt der Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin, weil die Italienerinnen im Schnitt nur noch 1,35 Kinder bekommen. Zur groß angelegten Regierungskampagne gehört auch ein eigener Hashtag (#fertilityday) und Plakate, die Männer und vor allem Frauen daran erinnern sollen, Nachwuchs zu zeugen.

Hat nur leider nicht ganz so geklappt, wie Signora Lorenzin sich das vorgestellt hat. Dabei ging es in Dänemark doch auch! Dort warb ein Reiseveranstalter dafür, öfter in den Urlaub zu fahren, da dort mehr Kinder gezeugt würden. Und dann zog auch noch das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit der Sendung „Bumst für Dänemark“ nach – mit Erfolg.

Aber, liebes Italien, wenn der Fokus auf der Vergänglichkeit der Fruchtbarkeit liegt, fällt es den meisten Frauen eher schwer, spontan zu hyperovulieren. Die mittlerweile länderübergreifenden Vorwürfe: Sexismus! Zynismus! Faschismus!

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Also kündigte die Gesundheitsministerin eine Neuausrichtung der Kampagne an. Um etwas besser machen zu können, muss man aber erst mal verstehen, was man falsch gemacht hat. Eine Analyse aus werbepsychologischer Sicht.

1. Emotionales Aufladen von Produkten. Es geht um Kinder. Diese niedlichen Menschen, die unterdurchschnittlich viele Zähne und überdurchschnittlich viel Speck haben.

Was macht die italienische Regierung? Eine Frau hält eine überdurchschnittlich große Sanduhr in die Kamera. Der Slogan: „Schönheit kennt kein Alter. Fruchtbarkeit schon.“ Ja, da werden sehr viele Emotionen hervorgerufen. Leider die falschen.

2. Konditionierung beziehungsweise das Versprechen einer Belohnung. Naheliegend beim Thema Kinder wären zum Beispiel: Kindergeld, Elterngeld, Krippenplätze. Da hätte Italien eh einiges nachzuholen.

Was macht die italienische Regierung? Bebildert den Slogan „Fruchtbarkeit ist ein Gemeingut“ mit einem tropfenden Wasserhahn. Ist das eine Drohung, Waterboarding anzuwenden, wenn das mit den Kindern nicht bald mal klappt?

3. Der USP (Unique Selling Point). Das Alleinstellungsmerkmal von Kindern könnte etwa sein: Sie brauchen kein Deo und riechen trotzdem gut.

Was macht die italienische Regierung? Versetzt sich in die Lage der Zielgruppe. Kleiner Scherz. Das wichtigste Argument für Kinder, vom Staat aus gesehen, ist schließlich: Sie sichern die Rente. Der Slogan liegt also auf der Hand: „Bereiten Sie eine Wiege für die Zukunft.“

4. Buttom-up-Prozess: Erotische Reize als Eye-Catcher. Wie werden Kinder gemacht? Richtig: Sex. Das ist doch diese Sache mit der nackten Haut, für die man sich viel Zeit nimmt, die man später, wenn das Kind da ist, nicht mehr hat (psssst!).

Was macht die italienische Regierung? Brainstormt Sex. Bienchen. Blümchen. Ah, na klar: „Beeile dich! Warte nicht auf den Storch.“

Kleiner Tipp für Versuch Nummer 2: Al Bano und Romina Power (Testimonials!) singen ihren größten Hit – mit einem neuen Text: Fertilità, na na na na naaaa na, na na na na na na …

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Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).

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