Kolumne Ich meld mich: Triumph-Geheul an Band Nr. 11

Es ist der Gau: Rucksack am Band vergessen – mit Zweitkamera, Aufnahmerekorder, das Buch mit Notizen und Ideen einer Recherchereise.

Viele Koffer innerhalb eines engen abgesperrten Terrains in einem Flughafengebäude

In Wartestellung, verlorenes Handgepäck inclusive Foto: imago/Westend61

Ankunft Flughafen Frankfurt. Passkontrolle. Koffer vom Gepäckband. Kurzes Telefonat. Dann schnell losziehen, Zug noch erwischen.

15 Minuten und viele Rolltreppen und Gänge später: Fernbahnhof, Gleis 5. Irgend etwas stimmt nicht. Ich fühle mich leicht. Zu leicht. Ein Moment gleißenden, hellen Entsetzens: Mein Rucksack fehlt. Ich habe ihn am Gepäckband stehen lassen. Handgepäck zu verlieren, ist für jeden Reisenden eine Katastrophe: Pass, Geld, Kreditkarten, Kamera, Urlaubsfotos – alles weg.

Für einen Journalisten, der von einer zweiwöchigen Recherchereise nach Ecuador zurückkommt, ist es der GAU, kurz vor einem Unfall mit Körperschaden. Denn auch Zweitkameras, Aufnahmerekorder, Hunderte von Fotos und Tönen, das Buch mit Notizen, Adressen und Ideen – die Ergebnisse zwölf harter Arbeitstage sind im Nichts verschwunden. Unglaube. Fassungslosigkeit.

Während ich zurückhetze, jagen sich die Gedanken: Einen ehrlichen Finder, gäbe es ihn, würde ich herzen und küssen, ach was: ihm eine lebenslange Rente auszusetzen, wäre das Mindeste. Zum Glück ist der Info-Schalter frei. Der ältere Mann, katastrophenerprobt, bleibt ruhig. Man kann von außen zu den Gepäckbändern durch, aber sicher. Ich stolpere, renne, eile: Vielleicht greift ja genau im nächsten Moment eine gierige Hand …

Einen ehrlichen Finder, gäbe es ihn, würde ich herzen und küssen, ach was: ihm eine lebenslange Rente auszusetzen, wäre das Mindeste

Band 11 liegt am hintersten Ende der weiten Halle. Trotz Koffer jetzt – ich fliege. Und da – nein, bloß keine vorschnelle, trügerische Erleichterung jetzt, doch, nein, ja, da liegt er, genauso abgewetzt, prall und unberührt wie zuvor: meiner! Religiöse Zeitgenossen sind in solchen Momenten im Vorteil. Sie fallen auf die Knie und danken ihrem jeweiligen Oberboss.

Der Agnostiker behilft sich sportlich: Triumphschrei, Freudensprung, Faust in die Luft – Mario Götzes WM-Torjubel war eine müde Nummer dagegen. Mit feuchten Augen laufe ich auf meinen kleinen Schwarzen zu, drücke ihn ans Herz, kein verlorener Sohn kann von seinem Vater mit größerer Hingabe umarmt worden sein. Dann sterbe ich tausend Tode nachträglich.

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