Kolumne Jung und dumm: Fick doch deinen Nachttopf, Opa!

Hat die Linke versagt? Wer hält ihn auf, den Irren? Geht die Welt jetzt unter? Der wirklich letzte Text zur Populismus-Debatte.

Der Moderator Harald Schmidt guckt in die Kamera

Wenn schon weiser, alter Mann als Bundespräsident, warum dann nicht Harald Schmidt? Foto: dpa

Kinderarbeit ist schlimm: Darin sind sich alle einig. Aber gegen die gesamtgesellschaftliche Großväterprostitution protestiert mal „wieder keiner“ (Dr. Axel Stoll, promovierter Esonazi, irgendwas mit Ironie; tot – also kein Opa mehr?). Keine Talkshows mit Treffen der Betroffenen, keine „Tatort“-Folgen über die Herkunft der Sex-Opas und ihrer Traumata, kein sanftes und doch abruptes Zurückwippen Petra Gersters um genau zwei Zentimeter, schaudernd ob des obszönen Agendapettings der Alten.

„Erst die Arroganz der Linken macht Populisten möglich“, schrieb Sibylle Berg neulich, deren Haarfarbendouble ich übrigens bin – aber machen nicht eher Populisten die Arroganz der Linken möglich? Und was soll gegen ihre Macht denn auch anderes helfen als ein bisschen hedonistisches Witzeln zur, immerhin, Selbstbefriedigung?

Berg hatte in dem Artikel außerdem ein Video verlinkt, in dem jemand klug sagte, es brauche Debatte und Überzeugung statt Beleidigungen. Was ja ebenfalls uneingeschränkt zu loben wäre, würden die Mitglieder bestimmter Bevölkerungsgruppen auf dem Weg zum Gesprächskreis nur nicht immerzu erschossen werden.

„Vielleicht wird ja alles gut“, stand noch da – und plötzlich kam er mir, der Trotzgedanke: dass das alles so schlimm schon nicht kommen kann, wie sie immer alle sagen; dass die wütenden Proteste gegen ihn doch wirklich übertrieben sind; dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sicherlich gar kein so schlechtes Staatsoberhaupt werden wird.

Obwohl: Wenn man schon (wieder) einen weisen (alten) Kandidaten der Herzen der Massen will, dann sollte man doch Helmut Schmidt nehmen.

Spiegel Online kommentiert die Präsidentenwahlen übrigens folgendermaßen: „Das ist ‚Chinas heißester Opa‘ / 80 Jahre alt und durchtrainiert? Wang Deshun beweist, dass dies kein Widerspruch sein muss. . . . Sein Künstlername lautet ‚Old Fresh Meat‘. . . Dazu passt sein Alter. 80 Jahre alt ist Wang Deshun, topfit – und ein gefragtes Modell. . . . Seinen Oberkörper begann er mit 50 zu stählen – seitdem geht er ins Fitnessstudio.“

Opää sind aber auch selber kreativ. Sie reimen wie Wolf Biermann: „Frühzeitig hat man mich geehrt / Nachttöpfe auf mir ausgeleert“ (Entstehungszeit egal – einmal Opa, immer Opa!). Sie stellen unbequeme Fragen: „Ist es ein Zufall, wenn in den Ausrufen von Zuschauern bei Feuerwerken dieselben Vokale überwiegen, mit denen sich libidinöse Gefühle anzeigen?“ (Sloterdijk).

Sie vermögen es gottgleich, zu spielen – zum Beispiel der deutsche Wang Deshun: der Schauspieler Philipp Sonntag. Der sexy „Lindenstraße“-Opa „Adi“ (74) schaffte es mit einem Cumeo-Auftritt in „Grand Budapest Hotel“ schon nach Hollywood. Und das Beste ist, dass er nach kurzer Liaison mit der steinreichen Altersgenossin Elise Romberger („Ist Adi jetzt eine Prostituierte?“, fragte meine beste Freundin) seit Folge 1601 wieder solo ist: „Der ‚Alt-68er‘ kann sich ein Leben im Luxus auf Dauer nicht vorstellen. . . . Der schönste Platz für ihn ist immer noch an Vasilys Theke“.

Für Sexwork sind sie wie geschaffen. Wir sind sehr besorgt.

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