Kolumne Lügenleser: Ribéry vs Fliegen-Willy

Pünktlich zum allgemeinen Neujahrs-Fasten isst er ein goldenes Steak, der Franck! Und schon ist er ein gefundenes Fressen für Neid-Deutschland.

Ribéry verbeugt sich

Danke Kapitalismus, für all deine Gaben! Foto: dpa

Was für ein Tanz ums goldene Kalb. Und das gleich zu Jahresbeginn. Ist ja auch ein guter Zeitpunkt für eine Neiddebatte, jetzt, wo ein Großteil der Bevölkerung auf Diät ist, keinen Alkohol trinkt und Fitnesscenter-Mitgliedschaften abschließt, die dann in den Untiefen des Portemonnaies verschimmeln.

Ein Fußballer also, dazu noch einer des FC Bayern München (das sind diese Reichen), isst ein vergoldetes Steak. Das Internet (das ist diese Schwarmblödheit) sitzt vor dem in Silberpapier gewickelten Döner und regt sich auf. Wie kann er nur! Und wo ist eigentlich mein goldenes Steak?

Der Fußballer, welcher seit Jahrzehnten als Multimillionär sein Dasein fristet und nach jedem geschossenen Tor in den Himmel gejubelt wird, versteht die Welt nicht mehr und beschimpft via Instagram seine Kritiker. Aber nicht nur die, nein, auch die Ahnen der Internet-Hater werden von dem verwöhnten Kicker unfreiwillig sprachlich verlustiert. Glücklicherweise klingt „Ich ficke eure Mütter, eure Großmütter und euren gesamten Stammbaum“ auf Französisch einigermaßen höflicher.

Nun springt auch die Presse drauf. Eine solche Sprache dürfe man nicht dulden, der FC Bayern, dieses Bollwerk der Moral und des Anstands, muss den Sportler sanktionieren. Es werden Texte geschrieben, in denen die Begriffe „verdribbelt“, „Eigentor“, „rote Karte“ und „ins Abseits gespielt“ nicht fehlen dürfen. Und zack!, mischt sich auch die Politik ein, denn hier gibt es was zu holen. Karl Lauterbach, der lustige Fliegen-Willy, verkündet auf Twitter: „Ribéry speist für 1200 Euro Steak mit ‚Blattgold Belag‘. Zeigt Verhältnis von Bayern München zu Geld im Sport. Der ganze Club bleibt unsympathisch. (…) Hoffe Dortmund wird Meister.“

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Dortmunder Lamborghini-Malocher

Ach ja, das hoffe ich auch. Dieser sympathische Malocher-Verein BVB, bei dem die Spieler schon mal mit vergoldeten Lamborghinis zum Training kommen. Aber immerhin kein Steak, denn da gehört das Gold dieser Erde einfach nicht drauf.

Lauterbach und die wütende Horde im Internet vergessen nur leider einen entscheidenden Punkt: Sie und ihre aktive Zustimmung sind es, die solche Zustände ermöglichen. Das Problem heißt: Kapitalismus. Das Problem ist das amoralische System, welches Lauterbach und die vielen Neidhammel immer weiterschleppen, statt endlich zu begreifen, dass eine Ellbogengesellschaft in letzter Konsequenz nie etwas anderes als einen Ribéry hervorbringen kann.

Das Problem sind wir alle. Nicht etwa ein wahrscheinlich moralisch und intellektuell etwas limitierter Fußballer, der mit den verdienten Millionen goldene Kälber frisst, um noch irgendwas zu fühlen. Der ist einfach nur ein dekadentes Produkt dessen, was uns die Gesellschaft als erstrebenswert propagiert. Wer Ribéry für ein goldenes Steak kritisiert, aber an den Umständen nichts ändern will, der ist nur neidisch auf den vermeintlichen König Midas.

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Juri Sternburg, geboren in Berlin-Kreuzberg, ist Autor und Dramatiker. Seine Stücke wurden unter anderem am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Seine Novelle "Das Nirvana Baby" ist im Korbinian Verlag erschienen. Neben der TAZ schreibt er für VICE und das JUICE Magazin.  

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