Kolumne Luft und Liebe: Die Liebe und der Sechs

Sex muss man nicht nur haben, man muss ihn auch aussprechen können. Wer das nicht schafft, sollte in Hessen bleiben.

Auf Berlinerisch: Die Mülch. Bild: dpa

Mein Freund Lukas kommt aus Hessen und heißt dort nicht Lukas, sondern „der Luggas“. Wenn wir schriftlich kommunizieren, ist alles in Ordnung. Ich mag ihn sehr gerne, finde ihn intelligent und lustig. Wenn wir aber tatsächlich verbal miteinander kommunizieren, muss ich mich immer ein bisschen zusammenreißen.

Neulich redeten wir mal wieder über alles Mögliche und machten uns über Rainer Langhans lustig. Der hat in einem Interview mit der Zeit gesagt, die „höchste Form von Kommunikation“ sei die Liebe, die Piratenpartei hätte aber leider „von Liebe keine Ahnung.“ Ja, aber die CDU, oder was?

Lukas sagte dann noch etwas, irgendwas mit Sex. Ich hörte ihm aber nicht mehr richtig zu. Ich konnte nicht. „Lukas“, unterbrach ich ihn, „apropos Kommunikation. Sag mal bitte, welche Zahl nach fünf und vor sieben kommt.“ „Sechs“, sagte er. „Und jetzt sag mal das kurze Wort für Geschlechtsverkehr.“ „Sechs“, sagte er wieder. „Findest du das nicht komisch?“, fragte ich.

Er wusste nicht, was daran komisch sein sollte. Ich sagte, dass ich finde, man sollte die beiden Wörter nicht gleich aussprechen, sondern die Zahl mit einem weichen, summenden und die Tätigkeit lieber mit einem harten, zischenden S. Und dann machte ich einen ziemlichen Fehler, weil ich sagte: „Ich finde es total unerotisch, wie du ’Sex‘ sagst.“

„Ssssssssssex. Gut so?“

Das traf ihn hart. „Unerroddisch?“, fragte er entsetzt. Wir übten dann eine ganze Weile den Unterschied zwischen hartem und weichem S und Lukas sagte: „Ssssssssssex. Gut so?“ Aber es klang immer noch komisch. Er sagte, eine Logopädin habe schon mal versucht, ihm das beizubringen, nur leider hätte es nichts gebracht. (Wobei seine Logopädin für ihn eine „Lockopädin“ war.)

Also nicht mit „Sex“, aber mit anderen Wörtern. Dass aber nun mal alle aus seiner Gegend das so sagen würden und dass es ja wohl ganz normal sei und höchstens eine kleine regionale Besonderheit, dass also ja wohl alles in Ordnung sei. Ich sagte, ja, das kann schon sein, dass das normal und gut ist und alles, aber ich finde es halt unsexy, irgendwie. „Tut mir leid“, sagte ich, „wirklich.“

Ich versuchte noch zu erklären, dass ich das ja nicht insgesamt auf seine Person beziehen würde und so weiter, aber das half dann auch nicht mehr viel, Lukas war beleidigt. „Dafür sagen wir blöden Berlinerinnen immer drinne und Mülch und Kürche!“, sagte ich, und dass ich vielleicht nur eine engstirnige, lokalrassistische Nuss sei und halt nicht so weltgewandt und so.

„Ja“, sagte Lukas, „aber wenn jemand mit dir keine Milch mehr in der Kirche trinken will, ist es nicht so schlimm, wie wenn keiner mehr mit dir Se … – ficken will.“ „Wie du ’ficken‘ sagst, finde ich total super“, sagte ich. „Ich bin Psychologe“, sagte er, „ich kann zu den Eltern nicht sagen, die fickuelle Entwicklung Ihres Kindes ist so und so.“ – „Aber für die Eltern musst du ja auch nicht sexy sein“, sagte ich, „nur seriös. Und seriös bist du, sowieso, immer.“

„Aha“, sagte er. „Sssssseriös?“ „Nee“, sagte ich, „seriös.“ „Ach Scheiße noch eins!“, sagte Lukas, „ich will eh ne richtige Hessin als Frau, die will dann auch Sechs mit mir haben.“

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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