Kolumne Mittelalter: Spatz Bubu hat den Frühling gebracht

Immer wieder hat unser Autor seinem Kind erzählt, warum es noch so kalt ist. Nun ist der Frühling endlich da. Und das alles nur dank der Spatzen.

Ein Spatz sitzt auf einem Zweig

Auf der Suche nach dem versteckten Frühling Foto: dpa

Es war einmal ein Spatzenmädchen, das hieß Bubu, das hatte auf der Welt nur noch seine Oma, denn seine Eltern hatte die Katze gefressen. Bubus Leben war trotzdem schön, nur wollte in diesem Jahr einfach der Frühling nicht kommen. Es war schon fast April, aber es schneite und es wehte ein eisiger Wind. Und wenn ihre Oma Bubu sie nicht nachts unter ihren weichen Federn gewärmt hätte, dann wäre sie wohl erfroren.

Da es so nicht weitergehen konnte, berief der Spatzenkönig eine Versammlung ein. „Liebe Spatzen“, sprach er, „in diesem Jahr will der Frühling einfach nicht kommen. Was können wir tun?“ Kein Spatz wusste eine Antwort. Da kam ein Krächzen aus der hintersten Ecke des Haselnussstrauches. Die Spatzen erschraken, erkannten dann aber den uralten Raben, der dort immer schon gesessen zu haben schien.

„Vor sehr langer Zeit“, krächzte der Rabe, „hat es schon einmal ein Jahr gegeben, in dem der Frühling einfach nicht kommen wollte. Damals ist dann ein Spatzenmädchen losgeflogen, um den Frühling aufzuwecken. Denn der hatte verschlafen, in seinem Sandschloss in der Sahara, wo er überwintert. Es ist ein sehr weiter und sehr gefährlicher Flug. Aber jemand muss ihn wagen.“Und damit verstummte der Rabe. Die Spatzen piepsten und flatterten wild durcheinander. Nur Bubu war ganz ruhig, flog dann hinauf über die Köpfe aller anderen und rief: „Ich wage es. Ich werde fliegen. Ich werde den Frühling aufwecken.“

Fidirallala – der Frühling ist da

Gesagt, getan. Am nächsten Morgen flog Bubu los und nach vielen Gefahren und Abenteuern stand sie schließlich vor dem großen Sandschloss in der Sahara. Aber die Tür zum Schloss war zu, da half kein Rütteln und kein Drücken. „So weit bin ich gekommen“, dachte Bubu, „und jetzt?“ Sie weinte ein bisschen und dachte nach. „Also“, sagte sie sich, „wenn ich die Tür nicht von außen aufmachen kann, dann muss sie von innen aufgehen. Also muss ich den Frühling aufwecken, damit er sie aufmacht. Also muss ich laut ein Frühlingslied singen. Ich singe ‚Ein Vogel wollte Hochzeit machen in dem grünen Walde‘.“

Kaum war Bubu beim fidirallala, sprang die Tür auf und der Frühling stand vor ihr. „Frühling“, sagte Bubu, „du hast verschlafen, alle hungern und frieren. Wir müssen jetzt sofort schnell losfliegen.“ Da breitete der Frühling seine Flügel aus, ließ Bubu auf seinen Rücken sitzen, und überall, wo sie vorbeikamen, wurde es warm, begann es zu blühen und zu summen, bis Bubu und der Frühling schließlich bei den jubelnden Spatzen ankamen. „War gar nicht so schwer“, sagte Bubu. Aber am Abend war sie sehr glücklich, dass sie unter Omas weiche Federn schlüpfen durfte.

Diese Geschichte wollte meine vierjährige Tochter in den letzten Wochen jeden Abend erzählt bekommen. Jetzt, wo es doch noch warm geworden ist, möchte ich sie gern vergessen. Aber wer weiß, sollte der Frühling sich mal wieder verspäten: Jetzt wissen alle, woran das dann liegt.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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