Kolumne Nach Geburt: „Teppe? Nein“

Meine Tochter hat nicht nur Fragen, sondern auch unpassende Antworten. Sie ist eine Fragenquatscherin. Ist das anstrengend? Und ob.

Ein Treppen-Hinweisschild

Ich schlage vor, die Treppe zu nutzen. Meine Tochter schlägt vor, getragen zu werden. Foto: dpa

In der hervorragenden Krankenhaus-Sitcom „Scrubs“ (Gott hab sie selig) taucht in Staffel vier ein neuer Oberarzt auf: Doktor Lemmon. Er ist ein „Question Talker“ oder – wie es in der deutschen Synchronisation heißt – ein „Fragenquatscher“. Was das ist? „Wollte ich, dass Sie pünktlich kommen? Wollte ich. Werde ich mir den Vorfall merken? Klar, und ob.“ Ein Chef zum Verlieben.

Meine Tochter eins ist zwar noch keine zwei Jahre alt, scheint die Folge aber schon gesehen und beschlossen zu haben, auch Fragenquatscherin zu sein. Und so steht sie im Hausflur, schaut hoch und sagt nur: „Teppe? Nein.“ Sie sagt das so bestimmt, dass sofort klar wird, dass das nicht als Diskussionsgrundlage gedacht ist. Gern schüttelt sie dazu noch in der Art den Kopf, als wollte sie unterstreichen, wie absurd diese Frage ist.

Dabei hab ich sie doch gar nicht gestellt! Oder schaut sie so, weil sie meine Gedanken lesen kann – und schon meine Gedanken für absurd hält? Egal. Es steht fest: „Teppe? Nein.“ Ergo: Trag mich oder schau, wie du klarkommst. Ein Kind zum Verlieben.

Und dann steht sie da mit ihren kurzen Beinchen in einer viel zu dicken Schneehose (soll ja noch ein bisschen länger passen, wir sind schließlich Sparfüchse), weiter Jacke, Mütze auf dem Kopf – und erinnert mich an Alf. Den wollte ich als Kind immer haben. Zu Hause. Der wäre dann beim Grillen dabei gewesen, wie im Vorspann der Serie. Wäre durchs Haus getapst, hätte meinen Vater verarscht. Ich war in meiner Fantasie wie der kleine Bruder Brian, und Alf war eben wie Alf.

Und jetzt habe ich tatsächlich so ein kleines Wesen vom Planeten Melmac. Kurz und dick. Es steht vor mir. Und es schaut mich an. Und ich freu mich über meinen kleinen Alf. Und dann sagt er: „Teppe? Nein.“

Tja, ich bin halt nicht Brian, sondern Willie Tanner

Tja, mein Alf ist halt ein Fragenquatscher: Butter? Ja. Käse? Ja. Drachi? Ja. Portemonnaie ausleeren? Ja. Tochter zwei ein bisschen am Arm ziehen? Ja. Mehr Käse? Jajaja. Neue Windel? Nein. Dazu das obligatorische Kopfschütteln. Dieser Gedanke. Absurd. Ich hab mir das Leben mit Alf im Haus irgendwie anders vorgestellt. Dass wir mehr Verbündete wären. Tja, ich bin halt nicht mehr Brian, sondern Willie Tanner – der Vater.

Und nun stehen wir am Fuße der Treppe und ich ärgere mich und schau auf den zusammengefalteten Buggy unter dem einen und den Karton voller fettarmer Milch (alles für die Latte-macchiato-Kinder) unter dem anderen Arm.

Und schon folgt die immer gleiche Abwägung: schnell alles hochtragen, dann Kind nachholen? Milch abstellen, Kind hochtragen? Was wird in Berliner Hausfluren schneller geklaut? Milch oder Kind? Das dauert dem Minimenschen zu lang. „Teppe? Nein.“ Also alles abgestellt, hochhochhoch, Kind abgestellt. Runterrunterrunter, Buggy und Milch gegriffen, hochhochhoch, und wer kommt mir da mit dem Po voran auf den Stufen entgegen, während ich alles hochschleppe? Alf mit einer Erdbeermütze auf dem Kopf. Teppe? Jetzt doch ja, oder was?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.