Kolumne Nach Geburt: Los, jetzt seid mal romantisch!

Wenn man Kinder hat, muss man an der Beziehung arbeiten, sagen alle. Okay, wir sind dann mal essen gegangen – lief so mittel.

Carla Bruni und Nicolas Sarkozy

Als „wahres Märchen“ hat Carla Bruni mal ihre Beziehung zu Nicolas Sarkozy bezeichnet Foto: reuters

„Und, stört uns das jetzt?“, fragte meine Freundin. „Keine Ahnung, ob uns das stört, also mich stört’s nicht“, schoss es mir durch den Kopf. Ich weiß, ich bin ein schlechter Mensch, aber so schlecht dann doch nicht, also ließ ich den ersten Teil weg: „Mich stört es nicht“, antwortete ich.

Kurz zuvor hatten sich zwei britische Paare in unser Zweisamkeitsdinner geschlichen. Die konnten gar nichts dafür. Wir saßen in diesem schönen Restaurant in Kreuzberg, in dem die Grills in die Tische eingelassen sind, an einem viel zu großen Tisch. Erst zu zweit – und dann halt zu sechst.

So war das nicht geplant, als meine Eltern meine Freundin und mich zum Essen einluden: Sie wollten die Kinder an jenem Abend übernehmen – und wir sollten mal schön ausgehen. Meine Eltern sind ja nicht zufällig schon seit dem Dreißigjährigen Krieg verheiratet, die wissen, dass man eine Beziehung pflegen muss. Außerdem steht ja auch überall, dass Eltern auch Zeit für Zweisamkeit bräuchten. Bei urbia.de las ich beispielsweise über „die Kunst, das Eheleben trotz der Kinder zu pflegen“.

Und dann der Sechsertisch. Stört uns das jetzt?

Mein Versuch, die Antwort darauf neutral zu halten, schlug fehl. Meine Freundin wollte doch keinen Abend, der mich nicht störte. Sie wollte, dass wir einen schönen Abend haben. Wollte ich auch. Wirklich.

Tja. Der Start war so mittel.

Arbeiten wir nicht genug an unserer Beziehung?

Liegt das an uns? Haben wir die Romantik verlernt? Geht unsere Beziehung bald in die Brüche? Werden unsere Kinder zu Trennungskindern? Werden sie dann drogenabhängig? Und viel wichtiger: Wer bekommt dann eigentlich den geilen Esstisch? Und wer den großen Kühlschrank?

Vielleicht sind aber auch einfach diese ganzen Ratgebertipps scheiße: Geht schick essen! Oder: Hey, macht doch mal ein romantisches Wellness-Wochenende! Oder: Nehmt euch doch mal ein Hotelzimmer in der eigenen Stadt für romantische Stunden, zwinkerzwinker, knickknack. Seid romantisch! Jetzt! Los!

Ich glaube, den vermeintlich modernen Paaren wurde schon viel zu lange eingebimst, wie Romantik zu zweit auszusehen hat – und dass man an seiner Beziehung zu arbeiten hat. (Woher kam dieser Mist eigentlich, dass man an einer Beziehung arbeiten müsste? Luther? Calvin? Der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände?)

Es ist Zeit für Ehrlichkeit: Was spricht denn gegen romantische Abende vor Netflix oder Sky? Oder getrennt voneinander? Sie Badewanne, ich Xbox. Sie beim aktiven Sport, ich beim passiven Sport (Fernsehen). Damit zufrieden zu sein, das ist der Boden, auf dem Goldene Hochzeiten gedeihen.

Bevor Sie sich jetzt übrigens zu sehr um meine Beziehung sorgen, oder sich wünschen, dass es doch bald zu Ende gehen möge, weil die Frau doch was Besseres verdient habe: Der Abend wurde dann eigentlich doch noch ganz romantisch. Vorm Späti bei ’nem schönen Bier. Ganz allein an der Bierzeltgarnitur.

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Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

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