Kolumne Nach Geburt: Ich hab auch ein Kind

Neulich war ich mit meiner Freundin im Urlaub. Ohne Kinder. Auf einmal wollte ich jedem erzählen, dass ich Kinder habe. Creepy!

Eine Person hält zwei Flaschen Sekt und einen Apfel in der Hand. Im Arm hat sie ein Kind

Einkaufen mit Kind? Kann beängstigend sein Foto: dpa

Vor Kurzem waren meine Freundin und ich weg. So richtig weg. Zu zweit. Mit Übernachten. Ohne Kinder. Das erste Mal seit vier Jahren. Der Klassiker: Die Großeltern kamen, die Kinder fragten ungeduldig, wann wir uns endlich verpissen würden – und dann flogen wir nach Amsterdam.

Als wir dort in einem Supermarkt standen, fing ein Vater plötzlich etwas hektisch an, sich umzuschauen. Er guckte, lief ein paar Meter zur automatischen Tür, dann wieder zurück zum noch nicht eingepackten Einkauf, wieder ein paar Meter Richtung andere Kassen, wieder zurück. Jetzt nur nicht panisch werden. Suchen! Ohne sich zu weit zu entfernen! Vielleicht kommt die Tochter ja zurück! Also: Hier bleiben! Und trotzdem den Radius erweitern! Wo ist sie? Aaaaah!

Das Mädchen, so ungefähr zwei Jahre alt, wuselte derweil bei uns an der Kasse herum. Sie schien eine unerschrockene Draufgängerin zu sein. Ich, geschulter Blick für Vätersorgen, rief den Papa. „Dein Kind ist hier.“ Erleichterung. Danke. Alles gut.

Ich kenn mich auch mit Kindern aus

Und plötzlich wollte ich ihm erzählen, dass ich total viel Verständnis hätte, und dass ich auch Kinder hätte, und ihn überhaupt nicht verurteilen würde (für was auch immer) und mich mit Kindern auskenne und so.

Bei jedem jungen Elternpaar, das seine Kinder dabei hatte, überkam mich dieser Impuls, denen gegenüber mein Leben auszubreiten. Meine Solidarität zu zeigen. Wir sitzen doch alle im selben Boot. Du und ich. Familien aller Welt vereinigt Euch!

Das bin doch nicht ich! Ich vermeide Kontakt zu fremden Menschen. Das kriegt man in Berlin ausgetrieben.

Wie in die „Nackte Kanone“

Es war wie in die „Nackte Kanone“. Da gibt es eine Szene, in der Leslie Nielsen alias Frank Drebin von der Speziellen Spezialeinheit der Spezialpolizei in Los Angeles sagt: „Ich hab eine Kanone! Nicht hier, aber ich habe eine!“ Hahahahaha.

Ja, ich weiß, muss man gesehen haben. Und ich krieg die Szene auch nicht mehr richtig zusammen. Laut Quelle: Internet liegt er auf der Queen, während er das sagt. War das wirklich so? Na ja, egal, jetzt hab ich den Witz eh versaut. Memo an mich und Sie: Mal wieder alle drei „Nackte Kanone“-Filme gucken.

Aber genau solche „Ich hab eine Kanone! Nicht hier, aber ich habe eine!“-Momente waren das in Amsterdam. Als müsste ich mich dafür entschuldigen, teilzeitkinderlos zu sein. Und ich weiß doch, dass die anderen Eltern das einen Scheiß interessiert, ob ich zu Hause auch Kinder habe.

Natürlich habe ich kein Elternpaar angesprochen. Ich wollte nicht als „Creepy Father“ in die Geschichte Amsterdams eingehen. Doch nun nagen die Fragen an mir: Habe nur ich diesen Impuls? Oder haben das andere Eltern auch? Und wenn ja: Legt sich das wieder?

Bis dahin fahr ich nicht mehr alleine in Urlaub. Ich krieg sonst Angst vor mir selbst. Creepy Kruse.

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Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

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