Kolumne Politik von unten: Sinnentleerte Werber

Der "Gefällt mir!"-Aktivismus sollte verboten werden. Kuschelkampagnen machen nur müde.

Das ist eine Currywurst mit Pommes. Politiische Veränderungen sind ist etwas anderes. Bild: ap

Nach jahrelangem Training sind wir alle Einkaufsexperten geworden. Wir entscheiden uns zwischen BMW, Audi und Mercedes, zwischen SPD, CDU und Grünen, wir sind zu Profis kurzfristiger Wohlfühlentscheidungen geworden. I like it - als wäre das der letzte gestaltbare Rest der Realität. So fragt die Welt uns immer wieder: Worauf hast du Lust, was macht dir jetzt am meisten Spaß?

Ich habe nichts gegen Spaß, als Clown lebe ich davon, aber Aktivisten werden damit auch zu sinnentleerten Werbern. Selbst wenn sie versuchen, zum Kampf gegen Hungersnot zu mobilisieren, fragen sie sich: Wie kann man Menschen motivieren, auf unsere Homepage zu klicken? Sorry, politische Veränderung ist kein geiles Produkt! Warum gehen wir mit politischen Fragen nur um, als ginge es um 'ne Currywurst?

Was kulturell dahintersteckt, ist die "große Erzählung" einer postmoralischen Ära, wie die globalen Medien sie uns erzählen. Bis in die Neunziger war die große Erzählung noch der Kalte Krieg, da gab es noch Kommunisten und Kapitalisten, schwarz und weiß.

Studentenbewegungen rüttelten das ein bisschen auf, es entwickelte sich die nächste Erzählung der korrupten Systeme gegen unschuldige Menschen. Von Hungerkrisen in Biafra über die bosnischen Proteste in Sarajevo hat sich diese Story als tauglich erwiesen, die vielen komplexen Fragmente in ein simples Raster zu stecken.

Die Welt ist nicht reduzierbar

Doch als klar wurde, dass es nicht so einfach ist, etwa im Bürgerkrieg der Hutu gegen die Tutsi oder zwischen Israel und Palästina, es blutige Angriffe gab, in denen selbst Kinder und Frauen zur Waffe griffen, wusste niemand mehr, was gut und böse ist. Es bleibt: resigniertes Kopfschütteln. Der Medienaktivist Adam Curtis nennt diese gesellschaftspolitische Phase "Oh-Dearism".

Puh, harter Tobak. Aber selbst das hat was Gutes. Denn diese Resignation kommt aus der Erkenntnis, dass die Welt nicht reduzierbar ist. Dass nun mal kein Mensch die Wahrheit versteht, so populistisch sie auch dargestellt sein mag. Mit etwas Glück ist es auch das Ende einer reduktionistischen Ära.

Für Kampagnenarbeit heißt das vor allem, wir müssen wieder polarisieren. Und da es keine endgültige Wahrheit mehr gibt: bitte mit Selbstironie und Humor, sonst zerreißen wir noch unter der Anspannung. Wie die Linguistin Gayatri Spivak sagt: als Strategie, nicht als Lösung.

Selbst wenn Geschlechter konstruiert sind, muss man ab und zu einem Mann die Eier abschneiden. Metaphorisch natürlich. Meine Richtungsentscheidung ist der radikale Kampf für die Selbstermächtigung aller, um das Hamsterrad ein Stück in Richtung der Entmachteten zu drehen. Notfalls populistisch.

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