Kolumne Press-Schlag: „Holzbein Kiel“ war mal

Jahrelang gab es nur Rumpelfußball von „Holzbein Kiel“: Man kann doch nicht wirklich Fan von Holstein Kiel sein. Oder doch? Eine kleine Abbitte.

Kieler Spieler jubeln

In der Zweiten Liga werden gerade reihenweise Gegner kielgeholt: Kiels Spieler jubeln mal wieder Foto: dpa

Wer sich an seiner Heimat versündigt, den straft der Herr Lügen. Und wenn es nur der Fußballgott ist.

Es war folgendermaßen. Vor gut einem Jahr bekam ich eine nette Mail vom Rowohlt Verlag. Sie planten einen Sammelband mit Erlebnisgeschichten von Fußballfans, Titel: „Das Spiel meines Lebens“. Ob ich einen Beitrag dazu schreiben wolle. Ich sagte zu.

Wobei ich eben – und damit fängt das Verhängnis an – gar nicht behaupten kann, der Fan eines bestimmten Vereins zu sein. Alle fünf, sechs Jahre wechselt das bei mir. Ich bin Wechselfan. Im Grunde bin ich immer Fan derjenigen Mannschaft, die gerade mit Bayern München mithalten kann. Ich weiß, echte Fans verachten so etwas. Aber ist bei mir halt so, was soll ich machen?

In der Geschichte für den Sammelband begründete ich das damit, aus Kiel zu stammen. Man könne doch nicht Fan von Holstein Kiel sein, schrieb ich. Das wäre gar zu armselig; seit der deutschen Meisterschaft im Jahre 1912 (!) hat der Verein doch nichts mehr gerissen. THW-Fan, klar, das geht als Kieler immer, aber Holstein Kiel – Holzbein Kiel, wie es in dem Film „Werner – Beinhart“ hieß –, nein, das geht eben nicht, jedenfalls nicht für jemanden, dem der Fußball auch als, na ja, Kunstform am Herzen liegt und der seine Heimat sowieso schon zu Studienzeiten hinter sich gelassen hat.

Abbitte leisten

Kurz und gut, nun griff der Fußballgott ein. Ich hatte meinen schwungvollen Essay gerade abgegeben, als Holstein Kiel in die Zweite Liga aufstieg. Schon das hätte ich niemals für möglich gehalten. Hektische Mails an den Rowohlt Verlag. Das müsse unbedingt noch aktualisiert werden. Okay, ich konnte noch einen Satz einfügen. Aber dann musste das Buch in Druck.

Und seitdem? Holstein Kiel spielte in der Zweiten Liga keineswegs nur irgendwie mit. Holstein Kiel gewann. Mit mutigem Angriffsfußball. Holstein Kiel wurde der beste Zweit­liga­aufsteiger aller Zeiten. Derzeit sind sie Tabellenzweiter, vor Nürnberg, vor Union Berlin, nur hinter Düsseldorf. Im Pokal haben sie diese Woche zwar gegen Mainz verloren, aber erst in der Verlängerung. Kollegen berichten von einem „höchst aufsässigen Zweitligazweiten“ und von „extrem bissigen Kielern“.

Dieser Text stammt aus der taz.am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Alles in allem kann man – oder muss man in meinem Fall – also feststellen: Holstein Kiel ist gerade ein Verein, dessen Fan man tatsächlich gerade gern wäre. Nach dem Modell: die sympathischen Underdogs aus dem Norden, die auch fußballerisch noch was draufhaben.

Was bleibt? Ich stehe schon noch zu meinem Text in dem Sammelband. Aber ein Stück weit möchte ich auch Abbitte leisten. So ganz kann man sich offenbar nie lösen von seiner Herkunft. Aufgrund meiner neu erwachten Gefühle für die Störche kann ich es bezeugen. Heute spielen sie in Darmstadt. Holt sie euch, ihr Kieler!

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Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).

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