Kolumne Teilnehmende Beobachtung: Ein Schritt vor, zwei zurück

Migrantisches Leben gibt es auch jenseits der Leipziger Eisenbahnstraße. Manchmal begegnen sich Deutsche und Ausländer auch tanzend.

Jesiden halten sich an den Händen und tanzen.

Tanzen verbindet. Wenn es gut läuft, auch über kulturelle Grenzen hinweg Foto: dpa

Viel wurde in den letzten Monaten darüber gerätselt, warum Fremdenfeindlichkeit nicht nur, aber besonders in Ostdeutschland ein Problem ist. Schließlich hat hier gerade mal jeder Zwanzigste einen Migrationshintergrund, in Westdeutschland hingegen fast jeder Vierte. Zwar sticht Leipzig in der Region hervor, aber auch hier: nur 12 Prozent mit Migrationshintergrund. Eine Erklärung lautet daher: Ostdeutsche kennen das Zusammenleben mit Menschen, die anderswo herkommen, kaum. Ihre Eindrücke würden sie großteils aus den Medien gewinnen und daher meist durch Negativschlagzeilen.

Doch in Leipzig gibt es migrantisches Leben, auch abseits der Eisenbahnstraße. Ein asiatisches Restaurant im Norden ist nur scheinbar spärlich besucht. Vorne sitzt lediglich eine Gruppe grauhaariger Rentner Ente süß-sauer essend im mit Asia-Kitsch behangenen Raum. Ob sie wissen, was sich im hinteren Teil des Restaurants abspielt?

Denn wer um die Ecke biegt und den großen Veranstaltungsraum betritt, findet sich in einer anderen Welt wieder. Ob die Musik traditionell ist, lässt sich als Außenstehende*r schwer sagen. Zu den ohrenbetäubenden Beats tanzen auch die Großmütter im Kreis. Sie haken sich beieinander ein, ein Schritt vor, ein Schritt zurück, dabei rhythmisch mit den Schultern zuckend, unablässig.

Um die zweihundert Menschen befinden sich in diesem Raum. Es ist wohl der Großteil der jesidischen Community in Leipzig. Jedes Jahr, am dritten Freitag im Dezember, feiern sie ihr Hauptfest Ida Ezi. Weil die Familien vieler noch im Irak oder Syrien sind, feiert die Community diesen Tag zusammen, bei Reis und Hühnchen, Baklava und Softdrinks.

Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.

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Die 16-jährige Widad ist an diesem Abend kaum wiederzuerkennen. Sie trägt einen engen Rock, die ansonsten wild gelockten Haare geglättet und glitzernden Lidschatten um die Augen. Sie tanzt schon seit Mittag im Kreis und sie wird es noch bis in die Abendstunden tun. Auch ein paar Deutsche sind anwesend und sie tun es ihr gleich. Das Klischee des ausländerfeindlichen Ossis erfüllen sie nicht.

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Jahrgang 1991. Seit 2018 bei der taz, seit 2019 als Redakteurin im Auslandsressort mit Schwerpunkt online und Südosteuropa.

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