Kolumne Teilnehmende Beobachtung: Mit der Schleuder ins kleine Glück

Auf der Leipziger Kleinmesse tummeln sich verunsicherte Teenager, Besoffene und Familien, die sich sonst kaum etwas leisten können.

Ein leeres Fahrgeschäft auf einer Kirmes

Für manche das ganz große Glück: sich auf der Kleinmesse ordentlich druchschütteln lassen Foto: dpa

Wenn die Dämmerung einsetzt, ist das Blinken vor dem dunkler werdenden Himmel schon von Weitem zu sehen. Dann hört man es auch: glückliche Schreie, vermischt mit Katy Perrys „I Kissed A Girl“ und Lautsprecheransagen – „Uuuuund noch eine Runde!“ Je näher man dem Spektakel kommt, desto intensiver treibt es einem den Geruch von gebrannten Mandeln und Alkohol in die Nase. Jetzt gerade, im 111. Jahr, findet wieder die Kleinmesse des Leipziger Schaustellervereins statt.

Zwei Korridore sind gesäumt von Schieß­buden, Zuckerwatteständen und Gruselkabinetten auf dem Festplatz am Cottaweg. Früher waren es einmal mehr Fahrgeschäfte und auch Menschen gewesen, die sich hier tummelten. Aber auch an diesem Abend sind Familien mit Kindern gekommen, Besoffene auch, von Drogen Kaputte und Teenager, die wie immer nur im Rudel auftreten.

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Mädchen mit bauchfreien Tops und zu viel Schwarz um die Augen, Arm in Arm mit der besten Freundin kichernd – so lungern sie gleich am Eingang neben dem „Break Dance“. Das ist ein besonders schrill blinkendes und schreiendes Fahrgeschäft, das seine Insassen wild in die Luft wirft, sich immerzu im Kreis drehend.

Die Jungs wollen sich profilieren – wie soll man in diesem Alter auch sonst das andere Geschlecht auf sich aufmerksam machen? Also lautet die selbst auferlegte Prüfung: Wer sich am längsten herumschleudern lassen kann, ohne sich festzuhalten und dabei möglichst gelangweilt dreinschaut, ist der Größte. Als das Gefährt stoppt und sie wieder festen Boden unter den Füßen haben, sind sie dann doch merklich wackeliger auf den Beinen. Doch das jetzt leicht grüne Gesicht muss gewahrt werden – die Mädchen schauen noch immer.

Vor 111 Jahren wurde als Gegenstück zur großen Messe die Kleinmesse aufgebaut – für die „kleinen Leute“. Auch heute sind vor allem die „kleinen Leute“ da, die sich andere Vergnügungsparks nicht leisten können. Die Kleinmesse bleibt für sie ein Ort des temporären Glücks. Auf der Suche nach Zerstreuung gönnen sie sich eine Portion gebrannte Mandeln und den schnellen Rausch im „Break Dance“.

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Jahrgang 1991. Seit 2018 bei der taz, seit 2019 als Redakteurin im Auslandsressort mit Schwerpunkt online und Südosteuropa.

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