Kolumne Vollbart: Die Italo-Connection unter sich

Weil ich wieder zu meinem inneren Italohelden gefunden habe, trage ich jetzt auch die ganze Zeit Sonnenbrille.

Eine Sonnenbrille ist ein Muss in Italien. Bild: ap

Wenn drei Italiener aufeinandertreffen … L. und ich besuchen eine Freundin in Mitte. Wir machen Italo-Pop-Referenzen, reden über das akademische System Italiens und trauern der alten Zeit nach – also der vor dem Partito Democratico und Matteo Renzi. Die Urlaubssaison macht uns immer besonders traurig, vor allem nach dem 15. August, dem Wendepunkt des Sommers und einem der wichtigsten Feiertage des Landes.

Dann reden wir darüber, was uns zu deutschen Wörtern auffällt. L. beschwert sich zum Beispiel immer darüber, wie lang die Wörter sind – wie Telekommunikationsüberwachungsverordnung. Die Freundin kommt mit Brotaufstrich nicht klar. „Ich kann es nicht mehr hören. Brotaufstrich. Brotaufstrich. Die Deutschen lieben Brotaufstrich“, sagt sie. Und dann sei da noch die Sache mit dem Hochbett. Noch so ein Wort, das ständig im deutschen Vokabular auftaucht, wobei das schon sehr ein Berlinproblem ist.

Weil ich wieder zu meinem inneren Italohelden gefunden habe, trage ich jetzt auch die ganze Zeit Sonnenbrille. Das machen die schließlich in Mailand auch so, fehlt nur die glänzende Daunenjacke. Die Sonnenbrille ist Pflicht. In der U-Bahn, im Bus, auf der Straße – egal, ob es regnet oder ob tatsächlich die Sonne scheint, bei Tag, bei Nacht.

Das geht schon länger so. Als ich B. in Neukölln besucht habe, saßen wir auf dem Balkon, es begann zu regnen. Weil ich nicht gewillt war, auf meine Sonnenbrille zu verzichten, gingen wir in der Küche, machten eine Tischlampe an und setzten unsere Sonnenbrillen auf – Italo-Feeling. Die Sonnenbrille kommt nicht bei allen gut an. Oder eher die Kombination aus Sonnenbrille, schwarzer Kleidung und Vollbart. Der Platz in der U-Bahn neben mir bleibt immer frei. Wahrscheinlich denken die Leute, ich würde bald ein Attentat verüben. Ist auch klar, seit die Dschihadisten meine modischen Codes gestohlen haben – ob denen auch jemand „Hipster“ hinterherschreit? Oh, ignorante Menschen – ihr seid so leicht zu täuschen. Vielleicht sollte ich mir doch eine glänzende goldene Daunenjacke zulegen und mir „Schwuchtel“ mit schwarzem Edding auf die Stirn schreiben. Dann wäre es einfacher, mich richtig zu lesen.

Während wir, die Italo-Connection, immer noch in Mitte sitzen und über die große Raffaella Carrà reden und überlegen, welche deutsche Sängerin an sie rankommt, fragt unsere Freundin plötzlich: „Kennt ihr eigentlich den Online Test ’German or Lesbian‘?“ Nö. Als L. und ich zu Hause ankommen, machen wir sofort den Test. Ziel ist es, auf Fotos herauszufinden, wer die Deutsche unter den ganzen Lesben ist. Bei richtiger Zuschreibung steht dann „good work! you spotted the auslander“. Und während ich so spiele, denke ich daran, wie schön es wäre, einen Test zu kreieren. Titel: „Dschihadist oder Hipster?“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1982, ist seit 2011 bei der taz. Seit November 2012 wirkt er als Redakteur bei tazzwei/medien. Zuvor hat er ein Volontariat bei der taz absolviert.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.