Kolumne Warum so ernst?: Das Mädchen aus dem Computerspiel

Unser Kolumnist, der Menschheit treuer Held, jagt, foltert und unterliegt am PC einem Mädchen – bis er feststellt: Er kennt es.

Eine Actionfigur in einem Computerspiel

So stark wie die Frau in diesem Spiel muss Saeeds Gegnerin auch gewesen sein – er kann sie nicht besiegen Foto: ap/dtp entertainment

Als ich dir im Traum begegnete,

war ich der Kämpfer aus dem Computerspiel.

Project I.G.I.;

Der junge, der Menschheit treue Held,

der Starke / der Kämpferische / der Eloquente / der Erfindungsreiche / der Kriegserfahrene / Innovative

und manchmal Blutrünstige.

Ich kämpfte viele Schlachten,

beging viele Massaker,

sprengte alle Benzinfässer in die Luft,

tötete die Soldaten,

für jeden Soldaten eine Bazooka.

Keinen ließ ich am Leben.

Keine Lampe ließ ich brennen.

Die Überwachungskameras schlachtete ich ab wie Schafe.

Ich durchquerte alle Levels.

Fuhr mit dem Zug / flog mit dem Kampfjet.

Ich hatte viele Waffen, denn ich hatte die Funktion

F11

gewählt

die verhindert, dass einem die Waffen ausgehen.

Ich warf wahllos mit Panzerfäusten um mich.

Versuchte, den Schnee mit Panzerfäusten zu schmelzen.

Ich hatte viel Blut, denn ich hatte die Funktion

F12

gewählt

die das Ausbluten verhindert.

Ich stürzte mich von Überwachungstürmen

von den höchsten Bergen

von den Dächern der Hochhäuser.

Wie schön war doch der Klang meiner Schuhe

im Endlevel.

Du warst jenes Mädchen, von dem es heißt, man könne sie nur durch zehn Kopfschüsse töten.

Ich warf dir eine Mörsergranate auf den Kopf.

Rollte mit dem Panzer darüber.

Steckte ihn in eine Metallpresse.

Warf dich in einen brennenden Schmelzofen.

Hing dich an den Füßen an einem Baum auf und schnitt dir die Pulsadern auf.

All meine Waffen verwendete ich

alle mir bekannten Methoden der Folter und Tortur.

Vergebens.

Als ich jetzt auf Google nach deinem Wesen gesucht habe,

stellte ich fest, dass du meine Freundin bist, und gar nicht zu der Bande gehörst.

Deswegen also konnten dir all diese Waffen nichts anhaben.

Ach du, Mädchen aus dem Computerspiel.

Aus dem Arabischen Sandra Herzl

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Aboud Saeed wurde 1983 geboren und lebte bis November 2013 in der Kleinstadt Manbidsch in der Provinz von Aleppo im Norden Syriens. Er ist gelernter Schmied und Schweißer. 2009 eröffnete Saeed ein Facebook-Konto und hinterlässt dort täglich Einträge. Der klügste Mensch im Facebook, eine Auswahl aus seinen Statusmeldungen, ist sein erstes Buch. Er lebt seit November 2013 in Berlin mit politischem Asyl. 2015 erschien seine zweite Publikation Lebensgroßer Newsticker über sein Aufwachsen in Syrien, einem Land, das es so nicht mehr gibt.  

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