Kolumne Wir retten die Welt: Gurkenrepublik Deutschland

Minister machen, was sie wollen, keiner regiert. Sind wir eine Bananen-Repubik? Keineswegs. Der Rest der Öko-Welt hätte gern unsere Probleme

Gurken und Tomaten auf dem Markt

Geht doch, ganz ohne Staatskrise: Rot-Grün-Rot Foto: dpa

„Unglaublich“, knurrt Kollege M., als er über Glyphosat-Minister Schmidt schreibt. „Wie in einer Bananenrepublik.“ In der Tat: Gerade die Law-and-Order-CSU macht auf „Legal, illegal, scheißegal“. Schmidts konfliktscheue antiautoritäre Erzieherin belässt es bei einem mahnenden Zeigefinger.

Das Land ist für ein halbes Jahr ohne Regierung, und im Bundestag kommen die Abgeordneten auf dumme Gedanken: Man könnte ja auch ohne Chefin Gesetze machen! Alle reden von „Staatskrise“. Glauben wir den Talkshows, fühlt sich Berlin-Mitte an wie Mogadischu.

Bananenrepublik? Da denke ich an süße Früchte mit viel Vitamin B. In der Realität sieht unsere Staatskrise so aus: Ein Gericht verurteilt einen Pleitemilliardär und schickt seine Kinder in den Knast. Ein anderes Gericht untersagt dem Energiekonzern RWE trotz einer gewonnenen Klage die Rodung des Hambacher Forstes. Das nächste Gericht untersucht jetzt, ob dieser Konzern für den Klimawandel haftet. Staatsversagen geht anders.

Nicht mal die Politik macht ernsthaft auf Failed State. Seit Wochen regen wir uns über grüne Themen auf. Das ist internationale Spitzenklasse. Ein Agrarminister schummelt bei der Zulassung eines Ackergifts? In anderen Ländern würden darüber nicht mal die Zeitungen berichten. Das Schicksal einer Regierungsbildung hängt am Kohleausstieg? Klimaschützer überall auf der Welt gäben viel dafür, wenn ihr Thema so wichtig wäre.

Einen Dieselskandal gibt es eigentlich nur in Deutschland, obwohl die EU-Grenzwerte auch in 27 anderen Staaten deutlich überschritten werden. Und eine Partei, die warnt, man solle sich „nicht mit den Bienen und Schmetterlingen anlegen“, wird nicht aus dem Parlament gelacht, sondern kommt fast in die Regierung.

Vielleicht ist es die viel gescholtene „German Angst“. Aber immer mal wieder diskutieren wir wirklich Überlebensfragen wie Klimaschutz oder Artensterben. Bananenrepublik? Da wären wir krumm und gelb mit schwarzen Stellen. Nein, Deutschland im Herbst 2017 ist eher eine Gurkenrepublik: Von außen kräftig grün, innen nur noch wässrig. Gern in Essig eingelegt und echt sauer, früher mal exakt nach EU-Norm gebogen. Und alles in allem ziemlich geschmacklos.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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