Kolumne Wir retten die Welt: Sieben Wochen plastefrei

Am Tragesack aus Plastik scheiden sich die Geister. Der BUND ruft jetzt zum „Plastikfasten“ auf. Aber gegen die Plastikflut hilft kein Fasten.

Plastiktüten auf einer Wiese

Weg mit den Dingern: Plastikfasten bis Ostern, besser länger Foto: dpa

Im türkischen Laden neben der taz sorge ich oft für Verwunderung. An der Kasse lege ich ein Fladenbrot in seiner Plastiktüte und meinen Euro hin. „Tüte?“, fragt die Kassiererin. „Danke, habe ich schon“, sage ich. Ob ich nicht noch eine stabilere will? Kostet nichts. Nein, danke.

An dem Tragesack scheiden sich die Geister. In Wessis (Plastiktüte) und Ossis (Plastebeutel), aber auch in „brauch ich nicht“ und „gib her“. Dass der Kunststoffberg in der Natur, vor allem in den Ozeanen, ein Riesenproblem ist, wissen inzwischen Grundschüler. Endlich mal ein Ökothema, das schnell Karriere macht, weil es mit Händen zu be-greifen ist. Plastikmüll im Meer, das ist wie Robbenschlachten – und jeder kann etwas tun!

Deshalb ruft der Umweltverband BUND jetzt zum „Plastikfasten“ auf. Kaum ist der Karneval vorbei, soll der Plasteval beginnen: Sieben Wochen bis Ostern mit reduziertem Kunststoff. Verschwendung, dass die Hälfte der 12 Millionen Tonnen Plastikverpackungen in Deutschland verbrannt statt recycelt wird! Schluss mit den 3,6 Milliarden Plastiktüten pro Jahr! Einkaufen mit Stoffbeutel und ohne Umverpackungen.

Super. Nichts nervt mehr, als nach einem Einkauf die Tasche gleich wieder mit dem Plastikmüll vollzuhaben. Und die Idee, nach närrischen 50 Jahren voller Kunststoffquatsch eine Plastik-Diät anzuschieben, ist auch sehr sympathisch. Seltsam nur: Der Müll in den Meeren kommt nicht aus Deutschland, da ist Südostasien weit vorn. Das Zeug zu verbrennen holt es von der Straße, auch wenn das keine Kreislaufwirtschaft ist. Außerdem ist Kunststoff manchmal wichtig. Falls ich Blutkonserven bräuchte, hätte ich sie ungern in Jutebeuteln. Aber am ärgerlichsten ist die Privatisierung des Problems: Gegen die steigende Plastikflut hilft kein individuelles Fasten. Da helfen nur: Gesetze. Regeln. Verbote.

Jeder sollte mitmachen

Das Fasten nach dem Karneval haben die Kirchen durchsetzen können, weil die Menschen früher Angst vor der Hölle hatten. Die ist zum Glück weitgehend abgeschafft. (Die Angst. Bei der Hölle bin ich nicht so sicher.) Und weil wir heute Regeln weder im privaten noch im wirtschaftlichen Leben akzeptieren, führt der Appell ans Gewissen zu nicht mehr als einem sauberen Vorgarten.

Wer echte Probleme lösen will, muss Mehrheiten für klare Ge- und Verbote suchen. Und darf nicht davor zittern, als „Verbotspartei“ zu gelten. Wenn die Atemluft nicht anders sauber zu bekommen ist, braucht es eben Fahrverbote. Waffen, Drogen und Kinderpornografie sind aus guten Gründen auch nicht erlaubt. Jedenfalls da nicht, wo die Menschen noch alle Tassen im Schrank haben. Was hindert die EU oder den Bundestag daran, per Gesetz zu regeln, dass Verpackungen aus Material bestehen müssen, das biologisch abbaubar ist? Nur der fehlende Wille und die Angst vor der Plastiktüten-Lobby.

Also: Plastikfasten für sieben Wochen ist eine gute Idee. Jeder sollte mitmachen. Aber es ist ein bisschen absurd, eine Aktion mit Verfallsdatum gegen ein Problem mit Ewigkeitswert zu starten. Ein Plastikverbot wäre dauerhaft und unkaputtbar. So wie der Kunststoff.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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