Kolumne Wirtschaftsweisen: Der deutsche Wald

Über den Umgang mit dem Wald, der Jagd, mit Jägern und Gejagten.

Feldhase, noch lebend Foto: dpa

Bei der modernen Bewirtschaftung des Waldes geht in der BRD Holz vor Jagd. In der DDR war es umgekehrt. Das begann damit, dass die Rote Armee im sowjetisch besetzten Sektor 1945 ein absolutes Jagdwaffenverbot anordnete. Ab da jagten fast nur noch Offiziere der Roten Armee. „Die sowjetischen Truppen nutzten diesen rechtsfreien Raum und etablierten einen regen Handel mit Wildbret,“ heißt es in Helmut Suters Jagdgeschichte „Honeckers letzter Hirsch – Jagd und Macht in der DDR“.

Nachdem die SED alle Wälder zu Volkseigentum erklärt hatte, wurden die sowjetischen Jäger zu „Wilderern“, ihre Abnehmer zu „Hehlern“. Zuvor hatte der Geheimdienst der Roten Armee (SMAD) versucht, die Jagd einzudämmen, indem die Zuständigen nur noch „Militärjagdkollektive“ und „Jäger der allrussischen Militärjagdgesellschaft“ zuließen und Schonzeiten festlegten, um „die barbarische Ausrottung seltener Tierarten zu verhindern“.

Die Landbevölkerung klagte derweil über eine „Wildschweinplage“. 1949 wurden deshalb „Jagdkommandos“ aus der Deutschen Bereitschaftspolizei aufgestellt. Im selben Jahr fand laut Suter „die erste Regierungsjagd“ statt. Nach und nach bekamen auch die Förster Waffen, die neuen „Staatsforstbetriebe“ waren für die „Beschaffung, Kontrolle und Verwaltung der volkseigenen Waffen verantwortlich“. Es wurden „Jagdkollektive“ gegründet, theoretisch konnte jeder Jäger werden, aber damit hatte er noch keine Waffe und kein Jagdrevier.

Ein Schuss, selbst ein Meisterschuss, ist eben niemals Beginn, sondern stets das Ende

Mit einem neuen Jagdgesetz 1953 sicherten sich die Politbüromitglieder interessante Jagdgebiete. Diese 129 „Sonderjagdgebiete“ wurden immer mehr erweitert und immer stärker geschützt. Gleichzeitig wurden bis in die achtziger Jahre die „Jagdhütten“ immer üppiger ausgebaut, zu wahren Jagdschlössern, wo einige Minister allein fünf Köche beschäftigten.

Adels- und Volksjagd

„Für das Geschehen in der Schorfheide war in den fünfziger Jahren Walter Ulbricht verantwortlich.“ Davor war es die SMAD gewesen, davor Hermann Göring und davor die „führenden Würdenträger der Monarchie und der Weimarer Republik“. Bereits die Askanier begründeten dort im 12. Jahrhundert eine Tradition der Jagd der Herrschenden. Dass sich in den sozialistischen Ländern fast alle Regierenden der Jagd widmeten, geht auf die Tradition der Adels- und der Volksjagd zurück – Letzteres vor allem in Russland und Amerika, wo wenig Menschen auf großem Territorium lebten.

Der Zürcher Ethnopsychoanalytiker Paul Parin schreibt in seinem Buch „Die Leidenschaft des Jägers“: Ein „aufgeklärter Mensch jagt nicht“ und auch ein „Jude jagt nicht“ – das sind „gleichermaßen Gesetze abendländischer Ethik. Ich muss mich zu den Ausnahmen zählen.“

Parin nahm als Arzt am jugoslawischen Partisanenkrieg teil. Über Milovan Djilas, leidenschaftlicher Angler, Mitkämpfer und Vertrauter Titos, schrieb er: „Später, als Dichter, wusste Djilas: Keine Ausübung der Macht über das Volk, über die Schwachen, bleibt ohne verbrecherische Taten. Wäre es nicht besser gewesen, der eigenen Leidenschaft Raum zu geben und den flinken Forellen nachzustellen …?“

Über ihren Dokumentarfilm über deutsche Jäger heute sagte die Regisseurin Alice Agneskirchner der taz: „Jäger wissen viel über den Wald, Wildtiere, Krankheiten.“

Der Zürcher Zoodirektor Heini Hediger meint dagegen, Jäger wüssten wenig über die Tiere, die sie jagen: „Das Jagen bietet wenig Gelegenheit zum Beobachten. Ein Schuss, selbst ein Meisterschuss, ist eben niemals Beginn, sondern stets das Ende einer allzu kurzen und meist nicht sehr vielsagenden Beobachtung.“

Kommt hinzu: Sie jagen nicht wie Raubtiere aus Notwendigkeit, sondern aus Spaß. Für viele gilt, dass ihnen laut Heiner Müller „das Missgeschick passiert ist, dass sie zwar töten, aber nicht ficken können“.

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