Kommentar Abschlussbericht Fukushima: Größte anzunehmende Plattitüde

Aus jedem GAU kann man etwas lernen. Aber nie genug, um den nächsten zu verhindern. Dass der Abschlussbericht konstatiert, Fukushima wäre vermeidbar gewesen, ist perfide.

Hinterher ist man immer schlauer. Und so ist es nicht mehr als eine Plattitüde, dass der Fukushima-Abschlussbericht einer Untersuchungskommission nun zu dem Schluss kommt, die Katastrophe wäre vermeidbar gewesen.

Denn zwangsläufig muss man bei einer durch technische Anlagen ausgelösten Katastrophe zu exakt dieser Erkenntnis kommen. So wie man auch von jedem Verkehrsunfall im Rückblick sagen kann, wie er abzuwenden gewesen wäre.

Politisch betrachtet, ist die Erkenntnis, der mehrfache Super-GAU von Japan sei vermeidbar gewesen, gleichwohl perfide. Denn so platt die Aussage an sich ist, so soll sie doch suggerieren, dass es nur menschliches Versagen war, was die Heimat von mehr als 100.000 Menschen unbewohnbar machte.

Im Umkehrschluss soll damit die Atomtechnik entlastet werden gemäß dem Spielplan: Wir haben die Ursache des verhängnisvollen Unfalls gefunden, wir werden handeln, wir werden ähnliche Versäumnisse künftig ausschließen. Die Technik selbst, so die Botschaft, war und ist sicher.

Ein absurdes Spiel. Die einzige vernünftige Erkenntnis aus Fukushima kann nur sein, dass Kernspaltung eine Technik ist, die nicht in jeder Situation beherrschbar ist. Sie ist hochriskant, weil Fehler zum Desaster führen können. Zwar kann man aus jedem GAU etwas lernen, aber eben nie genug, um den nächsten GAU zu verhindern – und wie der aussehen könnte, dafür gibt es unzählige Szenarien, die auch Atomexperten nicht überblicken.

Doch diese unbekannten Risiken verdrängen viele Politiker und Ingenieure seit Jahrzehnten. Erinnert sei daran, wie Atomwissenschaftler in den achtziger Jahren noch zum Besten gaben, der größte anzunehmende Unfall in einem Leichtwasserreaktor sei der Bruch einer Hauptkühlmittelleitung. In Fukushima stehen exakt solche Leichtwasserreaktoren. Es ist an der Zeit, zu fragen: Wie oft noch will die Welt hinterher schlauer sein?

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