Kommentar AfD-Erfolg: Heimat für zornige weiße Männer

Nun hat auch Deutschland eine starke rechtspopulistische Partei. Der Erfolg der „Alternative für Deutschland“ ist Ergebnis einer antipolitischen Revolte.

AfD-Mann Björn Höcke ereifert sich in Erfurt Bild: dpa

Jetzt ist sie schon bei drei Landtagswahlen in Folge in die Parlamente eingezogen, vergangenes Wochenende sogar mit zweistelligen Ergebnissen: die Alternative für Deutschland (AfD). Ist der rechtspopulistische Protest in Parteienform, der in vielen europäischen Ländern längst vertraut ist, nun auch in Deutschland angekommen und mehr als eine Eintagsfliege? Ja, es spricht viel dafür.

Deutschland war ohnehin schon länger eher ein europäischer Sonderfall: Wegen der deutschen Geschichte gab es eine gewisse Immunität gegen rechtspopulistische Versuchungen. Wichtiger ist aber vielleicht noch: Der allgemeine Verdruss über das Funktionieren des politischen Systems ist in Deutschland nicht so ausgeprägt wie anderswo, teilweise hat auch Die Linke das Wutpotenzial absorbiert. Aber es gibt auch in Deutschland genügend heimatlose Zornige, und die AfD ist jetzt ihre Partei.

Es wäre auch zu einfach, die AfD bloß als Stimme des „Rechtskonservativismus“ anzusehen, den die Union nicht mehr zu repräsentieren versteht. Rechter Populismus, der erfolgreich ist, versteht es, ein Bündnis zu zimmern, das primär von starken negativen Emotionen zusammengehalten wird: „Angry White Men“ mit ihrer Aversion gegen kulturelle und ethnische Diversität unserer Moderne; gegen diesen „Genderwahnsinn“; Leute, die sich aus realen oder eingebildeten Gründen als Zukurzgekommene sehen und die sicher sind, dass an ihrem Zukurzkommen irgendjemand schuld ist.

Wichtiger noch als dieser oder jener politische Programmpunkt ist das verbindende Gefühl, bei „den Etablierten“, dem „normalen“ Parteiensystem keine Stimme zu haben. Was verbindet, ist der Zorn auf das Establishment, ein „wir gegen sie“ die normalen Leute, denen man ja gar nicht mehr zuhört, gegen „sie“, die liberalen Eliten, die da oben.

Es ist eine antipolitische Revolte – gegen die etablierte Politik. Bei allen Unterschieden ist es das, was die amerikanische Tea Party, die österreichische FPÖ, die Wilders-Partei in den Niederlanden, Ukip in Großbritannien, den Front National in Frankreich und viele andere verbindet und stark macht. Es war immer klar, dass es dieses Potenzial auch in Deutschland gibt. Zu glauben, man könnte die AfD bekämpfen, indem etwa eine Establishment-Kraft wie die CDU ein bisschen rechter blinkt, ist eine weltfremde Annahme.

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Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.

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