Kommentar Afghanistan und USA: Neuer Präsident, alte Probleme

Die Taliban gewinnen wieder an Terrain. Trotz Mängeln und Zweifeln gibt es zur Koorperation mit den USA derzeit keine Alternative.

Hat das Sicherheitsabkommen unterschrieben: Ashraf Ghani. Bild: dpa

Afghanistans Präsident Ashraf Ghani hat an seinem ersten vollen Arbeitstag als neuer Staats- und Regierungschef das sogenannte Sicherheitsabkommen mit den USA unterzeichnet. Das Abkommen regelt über Abzug der Nato-Kampftruppen zum Jahresende hinaus den Verbleib von 10.000 US-Soldaten am Hinduskusch. Sie sollen dann vor allem afghanische Truppen ausbilden.

Der Vertrag ist Voraussetzung für ähnliche Vereinbarungen mit Ländern wie Deutschland. Das Abkommen wurde vergangenen November fertig ausgehandelt und seine Unterzeichnung von einer Versammlung regierungsnaher Würdenträger und Stammesvertreter (Loja Dschirga) beschlossen. Doch aus nie ganz geklärten Gründen weigerte sich der ausgeschiedene Hamid Karsai, das Abkommen selbst zu unterzeichnen. Er schob die Entscheidung auf seinen Nachfolger ab.

Zwar gibt es auch Gründe, die aus afghanischer Sicht das Abkommen problematisch machen wie etwa der Passus, dass US-Soldaten sich für Verfehlungen in Afghanistan nur vor US-Militärgerichten verantworten müssen. Doch letztlich hat Karsais Weigerung die Unsicherheit im Land nur massiv vergrößert und damit den Taliban in die Hände gespielt. Die haben in den letzten Monaten Geländegewinne erzielt.

Afghanistan Armee braucht weitere Hilfe, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Alternativen zum Sicherheitsabkommen und der damit verbundenen Ausbildungshilfe sind nie entwickelt worden. Im Präsidentschaftswahlkampf hatten sich bis auf einen Kandidaten alle klar für das Abkommen ausgesprochen. Deshalb verwundert Ghanis Unterschrift so wenig wie ihr schneller Vollzug. Ohnehin gilt der frühere Weltbankökonom als US-nah. Das galt Karsai auch lange. Doch sein Verhältnis zu Washington wurde unter Obama immer widersprüchlicher.

Viele Afghanen rufen bei Problemen sofort nach US-Hilfe und machen umgekehrt für Fehler im eigenen Land stets zuerst die USA verantwortlich. Karsai hing in seiner ganzen 13-jährigen Amtszeit am Tropf der USA. Statt daraus das Beste zu machen, wollte er sich und seinem Volk zunehmend beweisen, dass er in Wahrheit unabhängig sei. Es bleibt zu hoffen, dass Ghani eine wachsende Unabhängigkeit durch kluge Politik erlangt und nicht durch rätselhafte Machtspiele auf Kosten der Afghanen.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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