Kommentar Aufrüstung Großbritannien: Von wegen Paris!

In Großbritannien wird der Überwachungsstaat weiter ausgebaut und aufgerüstet. Zur Legitimierung kommen die Anschläge in Paris ganz gelegen.

Ein behelmter britischer Polizist vor einem Turm

Damals: Bobby vor Big Ben (1997) Foto: dpa

So mancher Bobby wird sich wundern. Gerade mussten viele KollegInnen den Helm an den Nagel hängen, denn wegen der britischen Austeritätspolitik wurde der Polizeietat seit dem Jahr 2011 zwischen 25 und 40 Prozent gekürzt. Plötzlich gibt es doch noch Kohle für 1.900 neue Angestellte beim britischen Nachrichtendienst – der höchste Zuwachs seit den Londoner Bombenattentaten im Jahr 2007. Diese Ankündigungen folgen auf einen opportunen Vorfall: die Pariser Terrorattacken.

Die Reformen der Strategischen Verteidigungs- und Sicherheitsüberprüfung der Regierung konnten nun eine Woche früher als geplant bekanntgegeben werden. Sie kamen genau richtig zu den tragischen Ereignissen.

Einige mögen das angesichts der Anschläge in Paris als angemessen erachten, aber es geht der Regierung um eine andere Sache. Sie will die Legitimierung der allgemeinen Vorratsdatenspeicherung der britischen Nachrichtendienste – eine Art der Überwachung, die dank Snowden keineswegs mehr geheim ist. Cameron will, dass seine Insel mehr und weitreichendere Daten sammeln kann. Und das, obwohl dies kein europäischer Staat vehementer macht als Großbritannien.

Im vergangenen Juni erklärte das für Spionage zuständige Tribunal, dass die Massenansammlung von elektronischen Daten gegen mehrere Menschenrechte verstoße. Vor einem Monat musste Cameron für einen neuen Gesetzesentwurf deswegen das Zugeständnis machen, dass nur Richter und keine Politiker über eine Schnüffelerlaubnis entscheiden dürfen. Auch da kommt Paris ganz gelegen.

David Cameron will die neuen Cyberagenten geschickt mit der Erhöhung des Verteidigungsbudgets über das Nato-Soll von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) finanzieren. Dies dürfe auch für Sicherheitszwecke benutzt werden, erklärt der Premierminister. Für britische Bombeneinsätze in Syrien will er das Budget aber auch bald verwenden. Nur die Bobbies kriegen nichts. Der Chefs der Thames Valley Police kommentiert: „Terrorismus lässt sich nicht einfach mit dem iPad bekämpfen“!

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Seit 2012 für die taz im ständigen Einsatz. In München geboren und aufgewachsen, machte er sein Abitur in Israel. Seit 1991 lebt er im Herzen Londons, wo er zunächst drei Hochschulabschlüsse absolvierte, unter anderem an der SOAS, wo er Politik und Geschichte studierte. Nach einer Rundfunkausbildung war er zunächst für DW im Einsatz. Neben dem Journalistischen war er unter anderem als qualifizierter Pilateslehrer, Universitätsassistent und für das britische Büro des jüdisch-palästinensischen Friedensdorfes Wahat al-Salam ~ Neve Shalom tätig. Für die taz bereist er nicht nur die abgelegensten Ecken Großbritanniens, sondern auch die Karibik und die Kanalinseln. Sein Buch über die Schoa "Soll sein Schulem. Verluste, Hass, Mord, Fragen der Identität aus autobiografischer Sicht," soll Ende 2024 oder Anfang 2025 erscheinen.

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