Kommentar Beobachtung der AfD: Thüringen geht voran

Der Verfassungsschutz prüft nun die Beobachtung des thüringischen AfD-Landesverbands. Das wurde aber auch mal Zeit!

Jutebeutel mit Höckes Konterfei und dem Spruch "Geht aufrecht!"

Ein ganz Aufrechter: So sehen Fans ihren Björn Höcke Foto: dpa

Na, endlich! Endlich prüft der Thüringer Verfassungsschutz, ob die AfD überwacht werden soll. Das war lange überfällig. Denn schließlich verleumdet und delegitimiert die AfD nicht nur seit Jahren das freiheitliche-demokratische System, immer offener bekundet sie auch, „das System“ überwinden zu wollen. Missliebige Politiker und Medien? Ausmisten, auf die Straße zerren, alles weg!

Besonders der Thüringer Fraktions- und Landeschef Björn Höcke gibt sich gern Allmachtsfantasien hin, auch wenn er sie gewöhnlich so vorträgt, dass sie nicht justiziabel sind. Selbst der eigene Bundesvorstand hat ihm einst „eine übergroße Nähe zum Nationalsozialismus“ bescheinigt. In seinem neuen Buch, einem Gesprächsband, sagt Höcke, Deutschland befinde sich „im letzten Degenerationsstadium“ der Demokratie.

Dass Höcke gemeinsam unter anderem mit dem Verleger Götz Kubitschek an einem Netzwerk bis weit ins rechtsextreme Lager strickt, ist seit langem bekannt. In Chemnitz nun haben er und andere AfDler ganz offen den Schulterschluss nicht nur mit der islamfeindlichen Pegida gesucht. In der Demonstration liefen zahlreiche Rechtsextremisten mit: Identitäre, Nazihools, Kameradschaftler.

Selbst der eigene Bundesvorstand hat Björn Höcke einst „eine übergroße Nähe zum Nationalsozialismus“ bescheinigt

Dass Höcke seinen Landesverband ganz auf Linie gebracht hat, könnte ihm jetzt zum Verhängnis werden. Denn wenn keiner mehr widerspricht, können Höckes Äußerungen als Meinung des ganzen Landesverbandes gelten, was eine Beobachtung wahrscheinlicher macht.

Aber wenn die Belege trotz allem nicht reichen und es am Ende nicht zum Tätigwerden des Verfassungsschutzes kommt – stünde die AfD dann nicht als Gewinner da? Dieses Risiko muss man in Kauf nehmen. Deshalb, trotz massiver Hinweise, eine Beobachtung gar nicht erst zu prüfen, kann keine Alternative sein. Und dass die AfD im Fall einer Beobachtung argumentieren würde, diese sei allein politisch motiviert und sie das Opfer? Nun, zum Opfer erklärt sich die AfD sowieso bei jeder Gelegenheit.

Die Thüringer Entscheidung sollte anderen Landesämtern, etwa in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Anstoß sein, sich die AfD genauer anzuschauen. Und den Druck auf das Bundesamt weiter zu erhöhen, wo sich Amtschef Maaßen anscheinend dagegen sträubt, einen so genannten Prüffall auch nur in Betracht zu ziehen.

Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz, sollte sie denn kommen, aber ist nur ein Mittel im Kampf für die offene und liberale Demokratie. Das weit wichtigere: der gesellschaftliche Einsatz dafür.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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