Kommentar Berliner Flughafen: Bruchlandung für die Glaubwürdigkeit

Der Fehler liegt im System: Billig und schnell soll es sein, ein Scheitern ist nicht vorgesehen. Die Berliner Politik hat nichts aus den Pannen anderer Großbaustellen gelernt.

Der Flughafen nimmt am 3. Juni den Betrieb auf“ – das waren Klaus Wowereits Worte noch am Montag. 24 Stunden später steht fest: Der Regierende Bürgermeister von Berlin hat etwas Falsches gesagt, die seit Monaten minutiös vorbereitete Eröffnung des Großflughafens im Süden der Hauptstadt muss verschoben werden.

Offiziell, weil es beim Brandschutz klemmt. Wusste Wowereit das nicht? Das wäre peinlich. Oder wusste er es gar? Das wäre fatal. Der SPD-Mann hat sich mit seiner Aussage selbst in eine äußerst unangenehme Lage manövriert.

Dummerweise ist der Flughafenneubau das wichtigste – man könnte auch sagen: das einzige – relevante Projekt der seit September amtierenden rot-schwarzen Landesregierung. Wowereit hatte gehofft, dass etwas von dem Glanz und Glamour auf ihn übertragen und den avisierten Sprung in die Bundespolitik 2013 erleichtern würde.

Es ist aber nicht nur der Berliner Regierungschef, der nach der auf „irgendwann nach der Sommerpause“ verschobenen Eröffnung des 2,5-Milliarden-Euro-Airports um seine Glaubwürdigkeit ringt: Reihenweise hatten Politiker aus Berlin, Brandenburg und auch im Bund sowie die Betreiber mantramäßig wiederholt, dass es beim Eröffnungstermin des Flughafens „Willy Brandt“ eine „Punktlandung“ geben werde.

ist Co-Ressortleiter der taz Berlin.

Als Bürger und auch als Presse muss man sich schlicht verarscht fühlen. Das Desaster zeigt zudem erneut, dass die Politik wenig bis nichts aus den jüngsten Debatten über Großprojekte à la Stuttgart 21 gelernt hat. Von wegen Ehrlichkeit und Bürgernähe: Mit Durchhalteparolen wird an einem Eröffnungstermin festgehalten, bis es eben nicht mehr geht. Oder um es mit Wowereit zu sagen: „Bis es quietscht.“

Hier offenbart sich auch ein Systemfehler bei Baustellen dieser Größenordnung: Einerseits müssen die Arbeiten so billig wie möglich sein, andererseits in einem sehr engen Zeitkorsett äußerst präzise verlaufen. Ein Scheitern ist da nicht vorgesehen. Wenn es doch dazu kommt – was immer wieder passiert –, ist die Blamage gewaltig.

In Berlin hat das auch Folgen für den Streit zwischen Anwohnern und der Politik über Fluglärm und Nachtflugverbot: Es schwächt die staatliche Autorität weiter. Keine gute Voraussetzung, um in dem Dauerkonflikt noch zu einer von einer möglichst großen Mehrheit getragenen Lösung zu kommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.