Kommentar Brennelementesteuer: Sehenden Auges ins Verderben

Die Bundesregierung hätte verhindern können, dass die AKW-Betreiber Milliarden zurückbekommen. Doch die Atom-Lobby ist zu mächtig.

Weißer Qualm dringt aus einem Kühlturm, dahinter lacht die Sonne

Unerschütterlich: Die AKW-Betreiber ignorierten Bedingungen, die die Kommission an sie gestellt hatte Foto: ap

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine böse Überraschung. Die Atomkonzerne Eon, RWE und EnBW bekommen rund 6 Milliarden Euro Steuern zurück, die sie in den letzten Jahren auf ihre Brennelemente zahlen mussten. Die Steuer wurde zwar von allen Parteien befürwortet, aber nach Ansicht des obersten deutschen Gerichts verstieß sie gegen steuerpolitische Grundsätze. Das ist bitter, aber wohl nicht zu ändern.

Sehr wohl zu ändern gewesen wäre hingegen die Tatsache, dass die Unternehmen die Milliardensumme nun tatsächlich zurückgezahlt bekommen. Denn Ende letzten Jahres hat die Regierung eine Vereinbarung mit den AKW-Betreibern über die Kosten der Atommüll-Entsorgung getroffen. Gegen eine Einmal-Zahlung der Konzerne von 18 Milliarden Euro hat der Bund die Verantwortung für die Endlagerung übernommen – und gegen einen Risiko-Aufschlag von gerade einmal 6 Milliarden zudem für alle Kostensteigerungen, die es dabei geben wird.

Die Kommission, die diesen Vorschlag erarbeitet hatte, knüpfte ihn an die Bedingung, dass die Konzerne im Gegenzug alle Klagen gegen den Staat zurückziehen – auch jene gegen die Brennelemente-Steuer. Diese Forderung wurde ignoriert. Verzichtet hat die Bundesregierung auch auf die Möglichkeit, nachträglich zusätzliches Geld zu fordern, wenn sich die wirtschaftliche Situation der Konzerne verbessert, wie jetzt durch das Urteil geschehen.

Als die Brennelemente-Steuer beschlossen wurde, mag niemand damit gerechnet haben, dass sie keinen Bestand hat; zum Zeitpunkt der Einigung mit den Konzernen war diese Gefahr aber sehr wohl bekannt. Damit ist die Bundesregierung sehenden Auges ins Verderben gelaufen. Sie trägt die Verantwortung dafür, dass die AKW-Betreiber nun genau jene Summe zurück bekommen, die ihnen zuvor als Risiko-Aufschlag für den Atommüll auferlegt wurde.

Zwar ist das Gesetz zur Neuregelung der Atom-Finanzen schon verabschiedet, die Verordnung, die die genauen Summen festlegt, aber noch nicht

Noch besteht zumindest die theoretische Chance, diesen Fehler zu korrigieren: Zwar ist das Gesetz zur Neuregelung der Atom-Finanzen schon verabschiedet, die Verordnung, die die genauen Summen festlegt, aber noch nicht. Doch nutzen will die Regierung diese Möglichkeit nicht. Dafür ist die Lobby-Macht der Energiekonzerne offenbar immer noch zu groß.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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