Kommentar Bundestagswahl 2017: Der Aufstieg der Angstmacher

Die SPD wird abgestraft, die AfD ist stark, auch weil sie Themen setzen konnte. Gegen das Schäumen der Rechten hilft jetzt nur kühle Sachlichkeit.

Nahaufnahme von Gauland

AfD-Grusel: Alexander Gauland Foto: reuters

Wir waren schon weiter. Vom Bundestag aus wurde Europa mitgebaut, er stritt über Rezepte gegen den Klimawandel, über den medizinischen Fortschritt und über die Gentechnik. Zuletzt ermöglichte er die Ehe für alle. Das deutsche Parlament hat eine weltoffene Perspektive. Doch in diesen Bundestag ziehen nun Leute ein, die die Welt durch die Brille der Beleidigten betrachten. Die Retros, die Rassisten – sie sind jetzt drin. Und wie.

Die AfD wird provozieren und brüskieren, wird übertreiben und herunterspielen, Ängste wird sie ausbreiten und Aggressionen schüren. Davon lebt sie. Die Plenardebatten verfolgt nur selten ein breites Publikum vor dem Fernseher. Dennoch ist der Bundestag ein politischer Mittelpunkt, er ist das Nervenzentrum der Demokratie. Wenn das Nervenzentrum angegriffen wird, kann dies den Organismus lähmen. Das muss verhindert werden.

Der Wahlkampf hat schon gezeigt, was passiert, wenn ein kostbares Gut namens Aufmerksamkeit verplempert wird. Gauland und Weidel haben eine Falle nach der anderen gestellt. Die Politiker tappten sehenden Auges hinein – und oft genug auch die Medien. Nicht wir haben uns aufgeregt. Sondern sie haben es geschafft, uns aufzuregen. So geht es nicht. Wenn die AfD im Bundestag schäumt, sollten die anderen mit der Sachlichkeit einer Grundbuchratsschreiberin reagieren.

Aufgabe der anderen Parteien ist es auch, Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen. Es bleibt richtig, dass Martin Schulz aufrichtig versuchte, Menschen anzusprechen, die in Deutschland gerne leben, aber nicht gut. Dem Sozialdemokraten blieb der Erfolg brutal versagt, schade, er ist ein großer Kämpfer. FDP-Retter Christian Lindner hat mit Stimmungen gespielt, die die AfD erzeugt hat, um ihr so Stimmen abzunehmen. Diese Wahlkampftaktik darf keine politische Strategie werden. Denn wer die Agenda der Rechten bedient, macht sie stark.

Wer die Agenda der Rechten bedient, macht sie stark.

In dieser Hinsicht schmutzelte CSU-Chef Horst Seehofer dieses Mal kaum, aber schon mit Blick auf die bayerische Landtagswahl in einem Jahr kann das anders kommen. Seehofer wird seine ganz persönliche AfD-Frage zu beantworten haben.

Für die Grünen hat es sich ausgezahlt, dass sie ernsthaft bei ihren Themen blieben, statt sich am AfD-Grusel aufzurichten. Ob die Linkspartei jetzt mehr Protestpartei wird? Rot-Rot-Grün im Bund kann man jedenfalls vergessen. Bisher brachten die drei trotz Mehrheit im Parlament nichts zustande. Jetzt könnten sie nicht mal, wenn sie wollten. Dafür wird über Jamaika verhandelt werden, denn die SPD will erst einmal nicht über eine neue Große Koaliton reden.

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Verständlich, denn Schwarz-Rot ist den Wahlergebnissen nach von der Groko zur Kleinko geworden. Jamaika: kein politisches Projekt, sondern ein pragmatisches Bündnis, in dem jeder ein bisschen Profil sucht. Angela Merkel ging als Königin der Umfragen in den Wahlkampf, aus dem sie jetzt als Bettlerin mit miserablem Ergebnis herauskommt. Nun muss sie eine Vier-Parteien-Regierung zusammenkratzen.

Merkel wird nun im Bundestag auch ein eigenes politisches Scheitern vor Augen sitzen. Wer so lange das Land geprägt hat, kann sicher sein, am Aufstieg der Angstmacher Anteil zu haben. Immerhin, indem Merkel das Brüllen und Trillern im Wahlkampf ignorierte, hat sie es vorgemacht: Gegen diese neurechte Bewegung hilft nicht Hitze, sondern Kühle.

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