Kommentar CCS-Technik: Pyrrhussieg der Umweltschützer

Kohlendioxid soll in Deutschland nicht unterirdisch gelagert werden. Was die Umweltbewegung freut, kann gefährlich für das Weltklima werden.

Tja, wohin mit dem Kohlendioxid? Kraftwerk Neurath bei Rommerskirchen Bild: dpa

Es war einer der großen Siege der deutschen Umweltbewegung: das Begräbnis erster Klasse für die Technik des Carbon Capture and Storage (CCS). Die heiß umkämpfte Idee, Kohlendioxid aus Kraftwerken abzuscheiden und unterirdisch zu lagern, endete nach einer emotionalen Kampagne der Umweltverbände, massiven Protesten und dem Einknicken der Landesregierungen in Norddeutschland mit der Niederlage der CCS-Koalition: Die Kohlelobby, so die Öko-Lesart, hatte sich mit diesem billigen Ausweg aus echtem Klimaschutz nicht durchgesetzt. Hurra!

Allerdings: Der Sieg der Ökos in Deutschland war möglicherweise eine Niederlage für den globalen Klimaschutz. Wovor manche schon gewarnt hatten, wird jetzt durch eine neue Studie des Potsdam Instituts, nicht bekannt als Teil der Kohlelobby, und Debatten im UN-Klimarat IPCC bestätigt.

Schon bisher war nicht klar, was selbst ein vollständig auf CO2-Diät gesetztes Industrieland mit bestimmten Produktionsprozessen machen sollte, die zwangsläufig CO2 emittieren. Aber vor allem der Blick auf die riesigen weltweiten Kohlereserven und die Energiepolitik etwa in Indien und China, die weiter voll auf das „Schwarze Gold“ setzt, müsste zu einer Neuorientierung führen. Und erst recht der Plan, mit Biomassekraftwerken Strom zu erzeugen und das CO2 daraus zu lagern – um so der Atmosphäre netto das Treibhausgas zu entziehen.

Das ist noch Zukunftsmusik. Bisher gibt es keine funktionierende CCS-Anlage im industriellen Maßstab. Dass die Klimaforscher aber nach diesem Strohhalm greifen, liegt daran, dass der Klimawandel immer schneller wird, die Klimaverhandlungen aber immer langsamer vorankommen; und dass den Wissenschaftlern vor der Zukunft graut, die ihre Modelle zeigen.

Wer die globale Verantwortung Deutschlands im Klimaschutz und beim Technologietransfer ernst nimmt, muss die Forschung an diesem Notausgang aus der Klimakatastrophe vorantreiben – und weiter Druck auf die Politik ausüben, die Energiewende und den Kohleausstieg fortzusetzen. Die Risiken, die die Vernachlässigung von CCS birgt, sind größer als die der Erforschung.

Der Klimawandel zwingt uns, lieb gewordene Gewohnheiten über Bord zu werfen, sei es das Schnitzel oder den Urlaubsflug. Da können wir bei unserem Widerwillen gegen CCS gleich anfangen.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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