Kommentar Datenschutz in Deutschland: Zu Unrecht gelobt

Anstatt sich vehement für einen stärkeren Datenschutz einzusetzen, trödelt Deutschland absichtlich. Denn: Wir wollen uns den guten Ruf ruinieren.

Ein Facebook Thumbs Down

Deutschland gibt sich alle Mühe, unambitioniert aufzutreten Foto: imago/Rene Traut

International hat Deutschland immer noch den Ruf, ganz vorne dran zu sein in Sachen Datenschutz. Dabei arbeitet die Bundesregierung schon seit Jahren daran, diesem bösen Vorurteil endlich die Grundlage zu entziehen. Und wie das so ist bei Vorurteilen, man kann nicht einfach sagen: Wir sind doch gar nicht so pünktlich, so fleißig, so privatsphärefreundlich, schaut doch mal! Man muss etwas subtiler vorgehen.

Erprobt hat die Bundesregierung dieses Verhalten bei der Datenschutz-Grundverordnung. Hier ein bisschen bremsen, da weiterverhandeln und am Ende aufweichen, was aufweichbar ist. Und nun, bei der E-Privacy-Verordnung, quasi der kleinen Schwester, spezialisiert auf digitale Kommunikation, ist es fast schon Routine: Hier mal Gesprächsbedarf anmelden, dort auf die nationale Regelungskompetenz verweisen, und falls gar nichts mehr geht, weiterdiskutieren.

Vielleicht reicht der Atem bis zur eigenen Ratspräsidentschaft, dann lässt sich ein Abschluss noch als Erfolg verkaufen, und sei es einfach, weil man alle endlich zusammengebracht hat. Das Problem ist nur: Wenn andere Mitgliedsstaaten noch weniger darauf setzen, die Nut­zer*innen zu schützen – dann steht man ja immer noch als datenschutzfreundlich da. Mist!

Zynismus Ende. Eigentlich ist es viel zu enttäuschend. Vor allem deshalb, weil strenge Datenschutzregeln die Schwächsten schützen würden. Die, die nicht wissen, wie sie ihren Browser so hochrüsten, dass Tracking zumindest ziemlich schwierig wird. Die keine Ahnung davon haben, wie man Cookies löscht oder Browser-Fingerprinting ein Schnippchen schlägt, und auch niemanden, den sie fragen können. So nimmt die Ohnmacht zu.

Wer glaubt, eh nichts ändern zu können, beruhigt sich dann lieber damit, nichts zu verbergen zu haben, weil alle sowieso schon alles wissen. Deutschland als eines der mächtigsten EU-Länder könnte hier einiges reißen, setzte es sich bei den Verhandlungen für einen starken Datenschutz ein. Könnte. Doch das könnte ja den guten Ruf nicht ruinieren.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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