Kommentar Diätenerhöhung: Warum die Aufregung?

Abgeordnete von Union, SPD und FDP wollen höhere Bezüge. Zu Recht! Fragwürdig ist vielmehr, woher sie sonst noch so ihr Geld beziehen.

Der Plenarsaal des Deutschen Bundestag

Wer hier einen Sitzplatz ergattert, macht ordentlich Schotter Foto: dpa

Was fällt ihnen eigentlich ein, diesen sogenannten Volksvertretern? Noch immer gibt es keine Regierungskoalition, führungslos treibt die Bundesrepublik durch die Zeitgeschichte. Und dann haben die Abgeordneten des Bundestags nichts Besseres vor, als sich erst einmal selbst die Bezüge zu erhöhen. Von einem „Diäten-Hammer“ spricht die Bild. Die Boulevardzeitung hat in Erfahrung gebracht, dass die Fraktionen von Union, FDP und SPD einen gemeinsamen Antrag eingereicht haben, der vorsieht, dass die Abgeordnetenentschädigung, angelehnt an den Nominallohnindex, jeweils automatisch zum 1. Juli des Jahres erhöht wird.

Vor allem in rechtsgerichteten Medien ist die Aufregung groß. Immerhin erhalten die Abgeordneten schon jetzt 9.541,74 Euro monatlich. Ein stattlicher Betrag – der aber durchaus berechtigt ist. Diäten dienen dazu, Abgeordneten eine unabhängige Wahrnehmung ihres Mandats zu ermöglichen. Wer gut verdient, ist im Optimalfall auch weniger anfällig für Korruption.

Die volkswirtschaftliche Belastung für die Bürger ist zudem überschaubar. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode vereinbarte der Bundestag eine automatische Diätenerhöhung. Damit erhielten die Abgeordneten monatlich 245,21 Euro mehr. Bei damals 631 Abgeordneten kostete die Erhöhung demnach knapp 1,9 Millionen Euro im Jahr – das macht etwa 0,0006 Prozent des Bundeshaushaltes aus.

Die Koppelung an die Lohnentwicklung bietet durchaus Vorteile: Die mauen Gehälter in Deutschland waren vielen Abgeordneten bisher offenkundig herzlich egal. Immerhin ist die „Lohnzurückhaltung“ ja elementar für den Kampf um die fiktive Exportweltmeisterschaft. Wenn mit den Löhnen auch die Bezüge steigen, haben Abgeordnete endlich einen Anreiz sich legislativ für Einkommenssteigerungen in Deutschland einzusetzen.

Das Geld bleibt auch nicht komplett in der eigenen Tasche: Die Parlamentarier führen einen Teil ihrer Einkünfte an die Parteien ab. Wer auf dem Ticket von SPD, Grünen und Co. in den Bundestag segelt, muss umgekehrt auch die Partei finanziell unterstützen.

Lukrative Nebeneinkünfte

Mehr als 9000 Euro im Monat zu verdienen, scheint im Agenda-2010-Deutschland für einen Großteil der Bevölkerung zwar astronomisch. Dennoch sind Diätenerhöhungen weniger fragwürdig als die sonstigen Einkünfte der Parlamentarier. Bis zu 48,7 Millionen Euro haben Abgeordnete des Bundestags in der vergangenen Legislaturperiode laut Abgeordnetenwatch mit Nebentätigkeiten verdient, die dank auskömlicher Diäten eigentlich nicht notwendig sein sollten. Vor allem in den Aufsichtsräten großer Unternehmen tummeln sich Parlamentarier. „Konzerne erhalten auf diese Weise einen privilegierten und exklusiven Zugang zur Politik, den andere Unternehmen, Vereine oder die Bürgerinnen und Bürger nicht haben“, schreibt Abgeordnetenwatch.

Der jüngst aus dem Amt geschiedene ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert verdiente zum Beispiel bis zu 30.000 Euro (zu genaueren Angaben sind die Abgeordneten nicht verpflichtet) als Aufsichtsratmitglied des Kohlekonzerns RAG. 2008 setzte sich Lammert für eine Verlängerung der Laufzeit des von RAG betriebenen Bergwerks Ost in Hamm ein. Dem neuen Bundestag gehört der CDU-Politiker nicht mehr an. Im November wurde bekannt, dass Lammert Kurator in der RAG-Stiftung wird. Er erhält nach Unternehmensangaben 30.000 Euro Vergütung im Jahr und 500 Euro Sitzungsgeld. Dagegen sind geringe Diätenerhöhungen Peanuts.

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